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Los geht's

Baba & Nonno mit Samy & Tscharly on Tour

Frankreich, 9. - 31. Oktober 2022

Frankreich, Oktober 2022

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Komm mit uns ins Périgord

Wir - Gitta und Urs mit den Dackeln Samy und Tscharly - fahren vom 9. bis 31. Oktober 2022 nach Frankreich, zunächst ins Périgord. Und zwar mit dem Wohnmobil, zum ersten Mal. Damit schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: Wir bereisen endlich das Périgord real und nicht virtuell beim Lesen der Kriminalfälle von «Bruno, Chef de police» (Autor: Martin Walker) und wir testen unsere Fähigkeit, knapp einen Monat in einem 7-Meter-Wohnmobil zu leben und zu reisen. Warum wir das testen wollen? Das erzählen wir ein andermal…

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Bruno, Chef de Police

Kennst du Martin Walker? Kennst du das Périgord? Kennst du Bruno, Chef de Police? Nein? Dann schön der Reihe nach.

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Martin Walker, 1947 in Schottland geboren, ist Schriftsteller, Historiker, politischer Journalist und begnadeter Hobbykoch und Gourmet. Er war ein Vierteljahrhundert Journalist bei der britischen Tageszeitung «The Guardian» und lebt heute in Washington/USA und im südwestfranzösischen Périgord.

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Das Périgord. Martin Walker schreibt in seinem soeben erschienenen Buch «Brunos Périgord»: «1790 wird aus dem Périgord das Département Dordogne, östlich von Bordeaux. Das Périgord ist deutlich mehr als einer der bezauberndsten Teile Frank-reichs. Es ist sehr viel älter als Frankreich und hat seine eigene Geschichte, die weit zurückreicht in eine Zeit, in der es noch lange keine Staaten und Reiche gab. Es hat eine eigene Kultur hervorgebracht, eine eigene Sprache, die immer noch gesprochen und gesungen wird, und eine eigene literarische und musikalische Tradition. Und natürlich definiert sich das Périgord bereits seit Jahrhunderten über seine ausser-gewöhnliche Küche, die als die beste Frankreichs bezeichnet wird.» Die grössten zwei Städte sind Périgueux (Sitz der Präfektur des Departements Dordogne) und Bergerac.

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Bruno, Chef de police. 1999 zog Martin Walker mit seiner Familie ins Périgord. In-spiriert von dessen Geschichte und seinen Bewohnern, entstand 2008 sein erster Kriminalroman «Bruno, Chef de police». Bruno ist nicht nur der beliebte und ge-schätzte Dorfpolizist im kleinen, ländlichen Städtchen St. Denis, er ist auch Trainer des örtlichen Rugby- und Tennisvereins. Und, er ist ein wunderbarer Hobbykoch und Menschenfreund. Seit 2008 sind insgesamt 14 Kriminalromane der Reihe «Bruno, Chef de police» erschienen, alle leicht und flüssig zu lesen. Dazu noch drei ganz spezielle Bücher: «Brunos Kochbuch», «Brunos Gartenkochbuch» und eben «Brunos Périgord», ein Geschichtsbuch und Reiseführer zugleich. (Die Bruno-Bücher von Martin Walker erschienen im Diogenes-Verlag.)

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Warum ich das alles schreibe? Weil ich mich mit Walkers Romanen ins Périgord und in die Kochkünste des umtriebigen Polizisten Bruno verliebt habe. Ich habe fast alle Fälle (Romane) von Bruno gelesen. Eigentlich aber ist lesen das falsche Wort, denn ich habe die Romane und Kriminalgeschichten abgearbeitet. Jawohl. Mit Block und Bleistift lese ich die spannenden Kriminalfälle, «reise» durchs Périgord, und schreibe mir alle Sehenswürdigkeiten, Schlösser, Weingüter und – ganz wichtig – alle beschriebenen Gerichte heraus. Dann, mit Hilfe von Brunos Kochbuch oder dem Internet, versuche ich die wunderbaren Gerichte nachzukochen. Corona sei für einmal Dank: ich hatte viel Zeit dafür.

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Und nun reise ich, mit der besten aller Frauen, nämlich meiner, und Samy und Tscharly, unseren beiden Dackeln, zum ersten Mal ins Périgord - auch das, des Bruno, Chef de Police.

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Das Dorf, in dem Bruno «Chef de Police» ist, heisst St. Denis. Ein fiktives Dorf. Aber alle umliegenden, in den Romanen beschriebenen Orte, Schlösser und Weingüter, Landschaften und Sehenswürdigkeiten gibt es tatsächlich. Die wollen wir besuchen, kennenlernen. Und natürlich die hervorragende und viel gelobte Küche des Périgord. Im Kochbuch von Bruno sind nämlich nicht nur Rezepte beschrieben, sondern auch die Bezugsquellen der typischen Produkte der Region. Wir werden also die Märkte besuchen und die ausgezeichneten Käse, Weine, Gemüse. Früchte, Brote, Spezia-litäten – etwa den berühmten Périgord-Trüffel, er hat jetzt zwar grad nicht Saison,

oder die würzigen Ziegenkäse – kaufen und im Wohnmobil verkosten. Und wenn wir mal nicht kochen wollen, dann lassen wir uns in einem der beschriebenen und empfohlenen Restaurant und Bistros verwöhnen.

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Und danach, die Dackel wird’s freuen, unternehmen wir ausgiebige Wanderungen und Spaziergänge in der bezaubernden Landschaft und lustwandeln in den wunder-voll gepflegten und angelegten Gartenanlagen der vielen Schlösser. Wir werden durch das Tal der Vézère streifen, das häufig auch als Wiege der Menschheit be-zeichnet wird, weil hier erstmals Überreste des Cro-Magnon-Menschen* gefunden wurden, und sicherlich auch die berühmten, prähistorischen Höhlenzeichnungen der Höhlenmaler von Lascaux besuchen. Und natürlich das «Château des Milandes», das Ende des 15. Jahrhunderts erbaut wurde und dessen Schlossherrin in den 40er- bis 60er-Jahren Josephine Baker war, die berühmte afroamerikanische Tänzerin, Sängerin, Résistance-Heldin und Bürgerrechtlerin.

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Wenn wir dann satt, müde und abgespannt zurück im Wohnmobil sind, werde ich bei einem guten Glas Périgord-Wein, zum Beispiel einem Monbazillac oder einem Vin de Noix (den noch immer viele Périgourdins nicht ganz legal aus den jungen grünen Früchten der Walnuss selber brennen), die noch nicht «bearbeiteten» Romane von «Bruno, Chef de police» lesen.

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So mindestens lautet unser Plan.

 

* Cro-Magnon-Mensch ist eine – in der europäischen Forschungstradition begründete – Bezeich-nung für den anatomisch modernen Menschen des westlichen Eurasiens, der während der letzten Kaltzeit lebte. Der Cro-Magnon-Mensch, dessen Name sich von dem ersten Knochenfundort in der französischen Cro-Magnon-Höhle ableitet, wanderte vor etwa 45'000 Jahren von Südosten her nach Europa ein. Er teilte sich den Kontinent wahrscheinlich 1'000 bis 10'000 Jahre lang mit dem vom Körperbau primitiveren Neandertaler. (Wikipedia)

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Heute übenehmen wir unsere «Emma», einen Carado T338

Freitag, 7 Oktober - Gitta und ich übernehmen um 9 Uhr unser Wohn-mobil «Corado T338» bei Melzer in Jestetten. Wir taufen es Emma. Die Frau des Chefs, Frau Schulze, nimmt sich zwei Stunden Zeit, uns alles zu erklären. Alles easy, gut verständlich, einfach zu bedienen.

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Um 11.00 Uhr fahre ich mit dem Womo ins zürcherische Nohl, wo das Womo einer guten Freundin, Susi, in einer Scheune steht. Sie gibt uns eine 2x3 Meter grosse Matte, die wir unbedingt auf jedem Standplatz vor den Eingang/unter die Markise legen sollen. Damit tragen wir anschei-nend weniger Dreck ins Womo – macht Sinn.

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Dreck im Wohnmobil ist ein dauerndes Thema, resp. Ärgernis. Das wer-den wir noch reichlich erfahren.

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Um 12 Uhr parkiere ich das 7-Meter-Teil ein einem Anlauf quer vor unsere Garage: ich bin ganz stolz. Wobei, das Womo absolut leicht zu bedienen und zu fahren ist. Trotzdem.

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Bis 16 Uhr bin ich damit beschäftigt, das Wohnmobil einzurichten inkl. meiner Kleider und den Reiseunterlagen. Im riesigen, Heck-Stauraum verlade ich die Boxen mit unseren Schuhen, den Getränken, dem Hunde-Futter und -zubehör.

Get ready

Samstag, 8. Oktober - Ich habe den ganzen Tag damit verbracht, das Wohnmobil mit unseren Sachen einzurichten, einzuladen und zu organisieren. Verdammt viel Ware nehmen wir mit.

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Ich habe auch versucht, das E-Bike von Diane (unserer Schwägerin) mitzunehmen: der Wetterschutz passt aber nicht aufs Fahrrad, die Arretierung des Bikes ist nicht sonderlich stabil – das Bike bleibt in Flurlingen.

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18h30 Nachtessen mit der Familie unserer Tochter Andrea, Philipp, den Kindern und Suzi aus Australien, die bei uns zu Gast ist, im Beringer Randenhaus. Wir wollten ursprünglich ja vom Eschheimertal hinauf laufen, aber das Herrichten unserer Emma hat furchtbar viel Zeit bean-ansprucht. Wir kommen erst um 18h20 von daheim weg und fahren halt bis zum Randenhaus.

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Essen war gut, aber nicht spitze. Guter Wein «Aagne». Wir freuen uns auf die viel gelobte Küche des Périgord.

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Zurück zu Hause sind wir zu müde, um noch mehr im Wohnmobil zu verstauen – um 23h fallen wir todmüde ins Bett.

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Es bleibt noch viel zu tun, morgen, am Sonntag.

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Abschied von Leni und Miro - sie würden liebend gerne mit uns kommen. Miro meint: «So ein geiles Teil!»

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Viele alte Steinhäuser in Chalon sind am verfallen

Das Abenteuer beginnt

Sonntag, 9. Oktober - Bis 12 Uhr ist alles im WoMo verstaut, auch Gittas Sachen. Wir wären jetzt ready to take off…

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Aber die Hünde müssen nochmals raus: Andrea, Suzi, Leni und Miro holen sie für einen Daggel-Waggel ab.

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Ursprünglich wollten wir um 12 Uhr abfahren – nun wird’s wohl 14 Uhr oder später. Mal schauen bis wohin wir kommen. Mich ärgerts ein bisschen, doch gemach, wir sind ja nicht auf der Flucht, sondern es beginnt unser spannender, erster Womo-Urlaub.

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Endlich fahren wir ab. Es ist 15 Uhr und es liegen rund 400 km vor uns: via Basel, Belfort, Besançon und Dole nach Chalon sur Saône. Ab Basel lösen sich die Wolken auf und wir fahren auf der (in unserer Richtung) wenig befahrenen Autobahn A36 bei 18 Grad dem Sonnenuntergang entgegen.

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Wir fahren über Basel und durchs Elsass ins Burgund nach Chalon-sur-Saône. Einem malerischen Städtchen nördlich von Macon zwischen Dijon und Lyon. Ankunft um 20h15. Gitta macht einen Daggel-Waggel im Stadtpark und ich schaue auf meiner Camping-App «park4night» nach einem Stellplatz in der Nähe. Und tatsächlich: 900m vom Zentrum entfernt, an der Avenue Leon Blum, hat es einen öffentlichen Stellplatz für ein paar Womos, inkl. Wasser und Abfallcontainer. Wir parken und gehen zu Fuss ins Zentrum. Zum Kochen sind wir zu faul.

 

Gitta bekommt Moules und ich ein saftiges Entrecôte von Charolais Rind, beides wunderbar. Zurück im Womo nehmen wir noch einen Nightcup – einen selbstgemachten Orahovac (Nussschnaps) und den obligatorischen Gin-Tonic.

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Guet Nacht um Mitternacht.

Gitta bekommt

schon am ersten

Abend in Franreich

ihre gelieben

Moules, ich ein

saftiges Entrecote

vom Charolais-Rind.

Nach der ersten Nacht

Montag, 10. Oktober - Um 9 Uhr stehen wir auf: Wir vier haben in unserer ersten Womo-Nacht wunderbar geschlafen. Nun freuen sich die Dackel auf ein ausgiebiges Morgenlackerl – wir auch!

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Ich koche Kaffee und wir nehmen unser erstes Frühstück ein (die üblichen Medis, halt).

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Während ich diese Zeilen schreibe, macht Gitta mit den Hunden eine Runde im nahegelegenen Park. Wir schauen auf der Karte und entscheiden uns, heute noch bis ins Périgord zu fahren. Vor-her aber erkunden wir noch das Ufer der Saône hier in Chalon.

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Dummerweise mit dem riesigen Womo und ich muss prompt vor einer kleinen Gasse kapitulieren: 2.32 Meter Breite sind definitiv zu viel. Also: rückwärts in eine Seitengasse, umdrehen und zurück. Alles gut gegangen.

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Nun machen wir uns westwärts auf den Weg zu unserem Tages-ziel «Périgueux». Wir fahren durch traumhafte Burgunder Land-schaften, zunächst mit viel Wein, dann mit mehr Kühen der Rasse Charolais, die – wenn sie gross und «reif« sind – wunderbar saftiges und zartes Fleisch geben. Ich hatte gestern ja so ein feines Entrecôte…

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In der Gegend von Marcigny meldet sich der Hunger: wir ent-scheiden uns anzuhalten und an einem schönen Ort Speck

und Eier zu braten. Und die Hunde wollen auch wieder etwas

ihre vielen Beine bewegen. Wir entdecken eine Abzweigung zu einem kleinen Park – da wollen wir hin. Dummerweise sind wir

an der Abzweigung vorbeigefahren. Also, wie bereits am Morgen: umdrehen.

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Diesmal geht’s aber schief: Ich fahre rückwärts in ein Schiebetor und drücke das Positionslicht hinten rechts unten ab – Scheisse! Auch ein paar Schleifspuren an der Karosserie sind sichtbar. Ich

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ärgere mich. Nachdem sich die Garagistin versichert hatte, dass ihr neues Schiebetor einwandfrei funktioniert, verabschiedeten wir uns freundlich.

 

Wir erreichen den kleinen Park bei Argues. Gitta vertritt sich die Füsse, ich brate Speck und mache Rühreier. Die Daggeli und wir geniessen die Pause, hinter uns wiehert ein Schimmel. Ländliche Idylle pur.

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Wir machen uns weiter auf unserem Weg, noch haben wir rund 370 km vor uns.

 

Die Tankuhr zeigt noch 240 km Reichweite an, wegen des hüge-ligen Gebietes mit vielen Steigungen schrumpft diese Reichweite aber beträchtlich: 3,5 Tonnen sind für 140 PS halt doch eine rechte Anstrengung. Nach ca. 100 km stehen nur noch 65 km Reichweite auf der Anzeige.

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Wir fahren an eine Total-Raststätte. Total hat den billigsten Sprit

im Land. Das wissen auch alle Truckers, denn es stehen rund

10 LKWs an den Dieselsäulen an. So lange wollen wir nicht warten und fahren zur nächsten Raststätte weiter, die nur 16 km entfernt ist. Eine Seltenheit, denn normalerweise liegen die Rast-stätten 50 oder mehr Kilometer auseinander.

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Und dann plötzlich, an einer starken Steigung: Anzeige 0 km Reichweite! Wir schaffen es noch bis zur Tanke und stellen fest,

dass hier der Diesel stolze € 2.09 kostet! Das macht dann bei 81.3 Liter satte € 170. In Zukunft tanken wir nur noch bei Total, denn da kostet der Liter dank staatlicher Subvention nur € 1.83. Was wir alles lernen müssen auf unserer ersten Womo-Reise.

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Nach einer kurzen Kaffee- und Pinkel-Pause fahren wir weiter. Es ist schon bald 18 Uhr und das Navi sagt, dass wir unser Reiseziel

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Unser allererster Stellplatz nahe am Fluss und nur wenige hundert Meter ausserhalb des Stadtzentrums von Chalon sur Saône,

Wohlverdiente Pause: Rührei mit Speck nach unserem ersten

Malheur eim Umdrehen...

erst gegen 20.15 Uhr erreichen werden. Plötzlich sehe ich auf der Autobahn ein Hinweisschild «Gorges de la Dordogne». Das tönt doch nach einem schönen Ort. Und weil wir nicht schon wieder bei Dunkelheit einen Stellplatz suchen wollen, halten wir kurz an und suchen den Weg nach Neuvic, einem kleinen Ort am «Lac de la Triouzoune». Der See liegt ganz in der Nähe der Gorges und hat einige Campingplätze am Ufer verteilt. Wir entscheiden uns für das «Camping Municipale du Lac», doch die Barriere ist geschlossen. Wir fahren ein Stück um die Bucht zurück zu einem Hotel, das ebenfalls geschlossen ist. Da parken wir und bleiben für die Nacht, denken wir. Ein Fischer, der in der Dämmerung im See steht, ruft uns aber zu, dass es verboten sei, daselbst zu campen. Ich erwidere, das Camping sei ja geschlossen, was er freundlich verneint.

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Also fahren wir die 300 Meter zurück zum Camping und tatsäch-lich, der Fischer öffnet uns die Schranken. Für die Nacht inkl. Stromanschluss nimmt er € 14, die Hunde lässt er gratis über-nachten. Es sind noch 4 oder 5 andere Womos auf dem Gelände. Wir finden einen schönen Stellplatz unter «weinenden» Eichen: dauernd hören wir das Aufprallen der reifen Früchte auf den umliegenden Blechdächern der Chalets.

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Nach dem Apéro koche ich Pasta mit Tomatensauce, dazu eine gute Flasche Rotwein «Le Volte». Noch ein Daggel-Waggel und dann geht’s ab ins Bett. Wir freuen uns auf eine absolut ruhige Nacht inmitten der herbstlich gefärbten Bäume am See.

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Die zweite Nacht am idyllischen Lac de la Triouzoune

Impressionen vom Lac de la Triouzoune
Schlafen mitten in Périgueux

Dienstag, 11. Oktober - Tagwache ist um 8 Uhr. Wir haben wieder gut geschlafen, nichts tut weh. Dank Stromanschluss können wir unsere Morgenkaffees aus der Delizio-Kaffeemaschine geniessen. Ein Morgenspaziergang mit den Dackeln, danach Duschen auf dem Campingplatz.

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Während ich diese Zeilen schreibe, übt und lärmt die französische Luftwaffe bestimmt während 20 Minuten mit drei Mirage-Flugzeugen im Tiefflug über dem See. Samy hat Angst. Wir geniessen den frischen Herbstmorgen an diesem, jetzt wieder ruhigen Ort und vergessen die Zeit, der Morgen verstreicht.

 

Die Hunde müssen heute noch gebadet werden – sie stinken etwas. Nachdem wir das getan, auf dem Camping erstmals noch unseren Fäkalien- und Abwassertank entleert und das Frischwasser aufgefüllt haben, fahren wir um 13h30 los Richtung Bergerac. Auch heute wieder staunen wir, wie wenig Verkehr auf der Autobahn A89 herrscht. Die Landschaft ist recht hügelig und das Périgord empfängt uns mit schönen alten Häusern, Bauernhöfen und Schlössern, die plötzlich hinter einer Kurve oder einem Hügel auftauchen.

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Zum erstenmal wünschte ich mir die Raststättenvielfalt der Schweiz, denn ich merke, dass ich müde werde, nicht mehr so konzentriert unser «Schneckenhaus» über die Autobahn lenke. Doch hier in Frankreich hat’s über 50 und mehr Kilometer keine Raststätten, dann aber gleich zwei innerhalb von nur 10 km. Endlich, kurz vor Périgueux, können wir auf einer dieser raren Raststätten halten. Ich lege mich für einen 30-minütigen Powernap hin – das ist der grosse Vorteil, wenn man mit dem eigenen Haus unterwegs ist!

 

Nach einem Kaffee beschliessen wir, nicht nach Bergerac zu fahren, sondern nur noch die 15 km bis nach Périgueux. Dann können wir noch bei Tageslicht etwas

die Stadt erkunden.

 

Im Zentrum der Stadt hat es einen parkähnlichen Parkplatz, knapp bringen wir unser Womo durch die Eingangsschranke und finden kurz vor 17 Uhr einen genügend grossen Parkplatz unter den Platanen. Weiter vorne steht noch ein Womo – können wir wohl hier übernachten? Schau’n mer mal.

 

Martin Walker empfiehlt den Besuch der Altstadt und – speziell - der Place Saint-Silain, weil da sein Freund, Françis Delpey, das «L’Espace du Sixième Sens» betreibt. Ein kleines Strassencafé und Lebensmittelladen mit feinen Spezialitäten aus dem Périgord, die er zum Teil selber herstellt. Selbstverständlich mit Foie gras, Pâté de Truffe et Foie de Canard, Enchaud de Porc Confit, vielem mehr und auserlesenen Weinen. Die Place Saint-Silain ist ein winziger Platz, umrandet von alten Steinhäusern, und wir treffen tatsächlich einen gut gelaunten Françis vor seinem Lokal. Er steht neben einem Harass voller frischer Äpfel, die er für eine Clafoutis rüstet, einen Auflauf mit Biskuit-, Brand-, Eierteig und überbackenen Früchten. Er wird die Apfelkuchen für einen Event am Wochenende in Paris backen. Wir kommen ins Gespräch. Ich sage ihm, dass wir wegen Martin Walker hier seien, der uns den Besuch bei ihm wärmstens empfohlen hätte. Er kramt sein Handy hervor, wischt durch die Bildergalerie und zeigt mir ein Bild von Martin Walker bei einem feierlichen Anlass des «Club Ambassadors de la Truffe». Walker hält eine Rede, ist umringt von den Ambassadors in farbenfrohen Kleidern, fast Uniformen, und Françis ist deren Präsident.

 

Wir quatschen noch etwas, fragen nach einem guten Restaurant für den z’Nacht und gehen dann weiter der Rue des Chaines entlang zum Place de Conderc. Dort steht die Markthalle, die täglich offen hat, und vor allem Fleisch, Käse und Brot feilhält. Wir nehmen im Bistro vis-à-vis eine Apéro und schlendern dann zur kleinen Place Vertu, wo uns Françis zwei Restaurants empfohlen hat. Das eine ist leider zu und das andere, chéz Nico, will uns erst in einer Stunde bekochen – jetzt isst erst mal das Personal. Auch ok. Der Hunger drängt, wir können nicht so lange warten und essen in der nahegelegenen Brasserie des Glacier. Gitta startet mit einer Vorspeise mit Burrata, Schinken, Oliven, Tomaten, Pesto und frischem Brot, ich mit Foie gras. Dann probiert Gitta ein Entrecôte, dass sich als viel zu gross erweist: eigentlich war sie schon nach der Vorspeise satt. Die Hunde werden es morgen sicherlich geniessen… Ich bestelle eine Côte de Porc rôti und bekomme ein riesiges Kotelett mitsamt dem Speck und der Schwarte daran. An einer Sauce mit Honig und Rosmarin schmeckt mir das Teil ausgezeichnet. So einen «cut» hatte ich noch nie, auch noch nie bei uns in einer Metzgerei gesehen. Etwas Wein aus der Region, weisser und roter, hilft verdauen und einschlafen.

 

Heute legen wir uns schon früh ins Bett, um 22.30 ist Nachtruhe. Für uns, nicht aber für die Nachtschwärmer im Park, die noch für ein paar Stunden lärmen und trinken werden. Macht nichts, wir sind müde genug und schlafen bald ein.

Übernachten mitten in der Stadt unter Platanen

So geht Apéro in Perigueux: Hund sitzt, Herrchen steht

​Mit Schirmen überdachte Rue des Chaines

Perigueux - eine schöne,
interessante Stadt im Périgord blanc
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Raus in die Weinberge

Mittwoch, 12. Oktober - Nach einer doch noch erstaunlich ruhi-gen Nacht auf unserem Parkplatz mitten in der Stadt, stehe ich um 7 Uhr auf. Es ist noch dunkel und ruhig, bald aber kommt Leben auf, denn am Rand des Platzes ist einer der zentralen Stadtbus-Knotenpunkte.

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Ich koche Kaffee, Gitta wird von Zauberduft geweckt und steht auch auf. Tscharly und ich gehen Gassi, Samy schläft sich heute aus (bis 9 Uhr).

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Wir gehen durch die engen Gassen zurück zur «Place Saint-Silain», wo wir wieder den fröhlich rüstenden Françis Delpey vor seinem «l’Espace du Sixième Sens» antreffen. Diesmal Kartof- 

                                                          feln schälend und bratend

                                                          begrüsst er uns freundlich.

                                                          Bratkartoffeln sind auch

                                                          eine seiner Spezialitäten.

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                                                          Vor ihm stapeln sich acht

                                                          Kisten mit frischen Stein-

                                                          pilzen (Cèpe). Er serviert

                                                          uns «Café au lait» und wir

                                                          kommen wieder ins Ge-

                                                          spräch. Françis hat in Genf,

                                                          Basel, Rothrist und Lörrach

                                                          gekocht, das Leben in sei-

                                                          nem kleinen Reich hier auf

                                                          der Place gefalle ihm aber

                                                          viel besser. Man glaubt’s

                                                          ihm gerne: hier schlendern

die Leute vorbei, Françis kennt viele, grüsst freundlich, wechselt ein paar Worte, lacht, rüstet und wendet die Bratkartoffeln auf den beiden Induktions-Platten, macht einen äusserst zufriede-nen Eindruck. Die Leute mögen ihn – und er sie. So hätte er

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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auch in Rothrist arbeiten wollen, sagt er. Doch als er vor dem

Restaurant Tische aufgestellt habe, um draussen zu kochen und mit den Gästen zu plaudern, sei ihm das polizeilich ver-boten worden.Typisch kleinbürgerliche Schweiz, denke ich.

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Während Gitta in die Markhalle an der «Place de Coderc» geht – die Hunde dürfen nicht rein –, kaufe ich bei Françis noch die eine oder andere Spezialität aus dem Périgord ein. Dabei lerne ich, dass eine gute Pâté einige Jahre reifen muss, wie ein guter Wein. Die Pâtés, die Françis verkauft, sind mindestens vier und mehr Jahre alt, die ältesten zehn. Delikatessen, hier im Périgord.

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Um die Markthalle sind weitere Marktstände aufgebaut, wo die heimischen Händler frisches Gemüse, Obst, kistenweise Steinpilze, Pasten, Brot, eingelegte Früchte, Oliven aber auch Blumen verkaufen. Eine Freude für die Augen und den Gaumen. Wir beschliessen, weiter nach Bergerac zu fahren, einer ande-ren Destination in Martin Walkers Périgords-Reiseführer. Vorher noch kaufen wir für mich ein langärmliges Poloshirt und einen Troyer, einen Pullover mit Kragen. Nach knapp einer Stunde kommen wir an und parken wieder mitten in der Stadt unter Platanen. Diesmal sind wir aber nicht so angetan von der Ambiance: Die Altstadt gefällt zwar sehr, aber übernachten möchten wir hier nicht. Wir essen etwas Kleines und fahren dann nach Monbazillac. Da gibt es nicht nur ein wunder-schönes, altes Schloss mitten in den weiten Weinbergen, sondern auch einen Weinbauer, Le Château du Hautes Pezaud, der ein paar Stellplätze für Womos anbietet.

 

Etwa ein Kilometer vom architektonisch äusserst sehenswerten Schloss «Monbazillac» entfernt gelegenen Weingut richten wir

unseren Stellplatz ein. Die Kunst des Womo-Stellens ist ja, das Teil «im Wasser» zu halten: kein Kippen nach links, rechts, vorne oder hinten. Sonst fliegst du aus dem Bett, der Inhalt der Pfannen und Teller ergiesst sich über alles, was du nicht willst. Um das Womo in der Waage zu halten, fährst du auf zwei Keile auf. Entweder zwei links oder rechts, oder vorne oder hinten. Heute fahre ich also mit den Vorderrädern auf die beiden Keile. Noch steht das etwas schief, also nochmals runter von den Keilen um sie neu zu Positionieren. Dummerweise – Anfänger-Fehler – vergesse ich, dass unser Womo bereits am Strom angeschlossen ist und die Kabelrolle hinter dem rechten Hinterrad «am Schärme» (unter der Karosserie) liegt. Es passiert was in solchen Fällen passieren muss: ich überfahre die Kabelrolle. Noch funktioniert sie, aber ich werde dem Womo-Vermie-

 

 

 

 

 

 

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ter wohl eine Neue zahlen müssen. Shit happens, Vol.2! Als alles steht, genisst Gitta die Abendsonne und den Sonnenuntergang.


Um 19 Uhr lädt Christine, die belgische Schlossherrin, zur Degusta-tion ihrer Weine ein. Gleichzeitig bezahlen wir unseren Standplatz-Obolus: Stellplatz dank Mitgliedschaft in Club «France Passion» gratis, Strom € 3, Hunde und WC gratis, Dusche € 1.50 pro Person. In der Degu-Tenne verkauft Christine nicht nur ihren Wein, sondern auch noch Spezialitäten aus dem Perigord. Wir kaufen eine Dose «Canard aux Cèpes», die wir im Womo auf dem Gaskocher kochen

und mit einer guten Flasche Bergerac-Rotwein des Château’ zum z’Nacht geniessen. Wunderbar, einfach und köstlich.

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22 Uhr, Peter Bänninger (unser Schwager aus Florida, Diane's Mann) telefoniert aus New York und wir schwärmen von unseren ersten Womo-Ferien: alles ist besser als je gedacht. Wir geniessen jede Minute und erfreuen uns an der Tatsache, dass wir, ohne je ein Hotel gebucht zu haben, an den schönsten Orten übernachten können. Und wir schlafen im Womo fast besser als daheim. Grossartig.

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Die Weingläser sind leer - jetzt gehen wir noch auf deinen Nacht-Daggel-Waggel und dann ab ins Bett. Morgen wird wieder ein wunderbarer Tag werden. Guet Nacht.

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Des Weines wegen heisst diese Region Périgord pourpre
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Die fantastischen Schlösser des Périgord pourpre

Gitta studiert die Windrose, die Auskunft über die Region gibt

Donnerstag, 13. Oktober - Wir erwachen so gegen 08h30, die Sonne versucht – erfolglos – durch die Wolken zu brechen. Schade. Zum Glück haben wir Strom und können die Kaffeemaschine benutzen. Feiner Kaffeegeruch strömt durch die Emma – wie besser könnte man einen Tag beginnen. Wir nehmen eine Dusche bei Madame Christine, happy Kack darf auch nicht fehlen, und ich mache einen ausgie-bigen Waggel mit die Daggel durch die Weinberge, die hier eher Weinebenen sind. Wie immer, wenn ich nicht aufpasse, finden die beiden Racker ein Stück übelst stinkende Scheisse, in der sie sich wallen. Pfuideibel!

 

Zurück beim Womo hole ich das Hundeshampoo und gehe zurück zur Dusche – diesmal sind die Daggel dran. Eigentlich nur Tscharly, denn Samy hat nur das wohlriechende Stroh zum Kratzen erwischt. Ich setze Tscharly, die kleine Wildsau, ins Waschbecken und schrubbe sein Fell so gut ich kann. Es wäre unredlich zu behaupten, dass er das gern hat, im Gegensatz zum anschliessenden Abtrocknen. Das liebt er über alle Massen.

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Wieder einmal viel zu spät – aber eben, wir sind ja nicht auf der Flucht – verlassen

wir um13h30 unseren schönen Standplatz inmitten der Reben und fahren zunächst

zu einem Aussichtspunkt ganz in der Nähe: zum Tour des Vents, von wo aus man

einen traumhaften Rundblick hinaus in die fruchtbare und abwechslungsreiche

Region rund um Bergerac geniesst. Das Wetter spielt leider nicht mit, immer wieder

fallen einzelne Tropfen.

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Wie fahren wieder runter ins Dorf und besuchen wir das Schloss Monbazillac aus

dem 16 Jahrhundert. Das Anwesen thront über den Weinbergen. Das Schloss wurde

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

von Charles d’Aydie erbaut (1550-1582) und gehört, nach mehrmaligem Besitzerwechsel, seit 1960 der «Cave Coopérative de Monba-zillac». Die Coopérative eröffnete ein Museum überdie Geschichte der Region und liess das Handwerk des international renommierten Süssweines «Monbazillac» wieder aufleben. Eine Besichtigung lohnt sich eigentlich nur wegen der Skulpturen und Installationen im ersten Obergeschoss. Die Räume im Parterre sind – ausser einer gedeckten Tafel für vier Leute im Salon – unmöbliert. Schade eigent-lich, denn man sähe doch gerne, wie die Herrschaften dannzumal gewohnt haben. Immerhin mussten sie nicht frieren: in jedem Raum hat es ein grosses Cheminée.

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Nach der Besichtigung sehen wir uns noch ein anderes, ebenfalls von Martin Walker empfoh-

lenes, Schloss an: das Château de la Jaubertie. Auch ein wunderschönes Weingut, das die

Besucher mit einer prächtigen, von Kosmeen geprägten Blumenwiese empfängt. So eine

Wiese wollte ich immer auf der Brache vor unserem Haus.

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Obwohl das Périgord unglaublich vielseitig und abwechslungsreich ist – langweilt mich die

Fahrt vom Schloss nach Le Bugue. Die Strasse ist schlecht, ruppig und löcherig, die Land-

schaft eher öder, viel braches Ackerland, kaum schöne Dörfer und Schlösser – und es regnet.

Wir fahren ohne Umwege nach Le Bugue, wo wir unser Nachlager aufschlagen wollen. Einzig

auf halbem Weg, in Lalinde, nutzen wir die rare Gelegenheit, bei einer Tankstelle, die noch

was hergibt, unseren Dieseltank zu füllen. Bei den streikenden Franzosen weiss man ja nie.

Die Tankwartin sagt, dass wir eigentlich nur für € 40 Eurotanken dürften, ihr Chef aber die De-

vise herausgab: Wir machen jeden Tank voll! Gut so, unser Tank ist nicht leer aber immerhin

gehen knapp 42 Liter rein. Das reicht wieder für ein paar Tage.Gleich über der Brücke über

die Vézère, unmittelbar ausserhalb der Altstadtvon Le Bugue liegt ein grosser Park mit alten

Nussbäumen, der explizit für Wohnmobile ausgeschildert ist. Es sind nur wenige Mobile da, wir finden einen ebenen Platz, perfekt, um die Hunde frei rumspringen zu lassen. Sie finden rasch Anschluss an verschiedene andere Vierbeiner. Wir richten uns ein und gehen

Im und ums Château Monbazillac

...wir müssen draussen bleiben !

dann in ein Altstadt-Restaurant, das sehr gut sein soll: Le Cignet. Ich kann das bejahen «Crème brûlee au Foie gras» (fantastisch) und «Parmentier de canard aux cèpes et marrons» (eine tolle ArtShepard's Pie

mit Ente) – Gitta hat mit ihrer Wahl, tschuldigung, eher die Arschkarte gezogen: Sie wollte Fisch und bestellte eine «Cassolette de lotteau vin rouge et épices», was aber eher wie ein Beouf bourguignon daher kommt. Gitta glaubt erst gar nicht, dass es Fisch ist, eher eine Art Reh- oder Hirschpfeffer… Alleine der Anblick des «Fisch-Töpfchens» schnürte ihr die Speiseröhre zu – da ging kein Bissen mehr runter.

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Während ich schlemme und Gitta würgt, fängt es an zu regnen. Wir machen uns, natürlich ohne Schirme, die wohnen noch im Womo, auf den kurzen Heimweg. Wir werden ordentlich nass und sind froh, dass unser Ferienhaus trocken und einigermassen warm ist. Ich schaue noch im TV – Bahnrad-WM in Frankreich, der Schweizer A. Vogel wird letzter im Scratch-Rennen – und lege mich dann auch aufs Ohr.

 

Es ist absolute Ruhe – was für ein Einschlafen.

Bedeutende Schlösser und wunderschöne Gärten

Freitag, 14. Oktober - Ich stehe um 08h30 auf und koche Kaffee, dessen frischer Duft Gitta aus ihren Träumen holt. Herrlich wie wir in unserem Womo jeweils schlafen. Fast besser als daheim, wirklich. Gitta spaziert mit den Hunden durch den Park und trifft ein nettes Ehepaar aus Deutschland. Uwe, pensionierter Musiklehrer (Geige und Gesang) und Gunhilde, seiner Partnerin nach dem Tod seiner Frau. Sie fahren seit einigen Jahren mehrmals pro Jahr mit dem Womo für ein paar Tage oder Wochen weg. Immer mit ihrem dreibei-nigen Mischling, der auf einer der urlaubstouren von einem Motorrad angefahren wurde. Sein rechtes Vorderbein ist seither fast gelähmt, er kann nicht mehr auftreten und schleift es einfach mit, fühlt sich aber wohl und rennt freudig umher. Wir kommen mit dem Paar aus er Eifel ins Gespräch, Uwe setzt wie Gitta jeweils im Juni einen Nussschnaps mit «grünen Nüssen» an. Gitta macht Orahovac (kroatisches Rezept mit Wodka), Uwe Nocino (nach einem Tessiner Rezept mit Grappa und einem Schuss Cognac). Uwe bittet Gitta um eine kleine Kostprobe, denn wir haben selbstverständlich zu Verdauung eine Flasche unseres Gebräus dabei.

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Uwe ist ein sehr interessanter, belesener und gescheiter Mann, konvertierte vom Christen zum liberalen Juden und ist auf Wunsch seiner Verstorbenen zum Vegetarier (90%) geworden. Wir haben eine äusserst interessante Diskussion über «Leben und Leben lassen», über Toleranz und über Literatur. Uwe rät uns, das Buch «Der Berg der Stummen» zu lesen, das von den Hugenotten erzählt, denen die Zunge herausgeschnitten wurde, damit sie nicht mehr reden könne. Darauf haben sie eine Sprachkultur entwickelt und sich, da sie sprachlos waren, mit Tönen aus der Mundharmonika verständigt. Die Geschichte spielt in der Provence und Uwe ist vor Jahren – wie wir nun auf den Spuren von Martin Walkers «Bruno, Chef de police» das Perigord bereisen – den Schauplätzen des Buches in Südfrank-reich gefolgt. Uwe hat derart fasziniert erzählt, wir werden die Trilogie kaufen und lesen.

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Bevor wir abfahren – heute werden es nur wenige Kilometer werden – nutzen wir die Gelegenheit unsere diversen «Dreckwassertanks» an der dafür vorgesehenen Stelle auf dem Campingplatz zu fluten und frisches Wasser zu bunkern. Auch ohne tägliche Dusche ist der Wasserverbrauch recht gross. Das unterschätzt man gerne.

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Jetzt kann’s losgehen, vom Stellplatz einen Kilometer zum «Cave Julien Savignac», der die Vorlage für den Weinkeller im Kriminalroman «Reiner Wein» war, Brunos 6. Fall von mittlerweile 14. Weil wir wieder so spät abgefahren sind, ist der Weinkeller natürlich geschlossen und wir entern dafür eine Bäckerei auf der anderen Strassenseite. Was für ein Anblick, die prall gefüllten Regale mit Baguettes und anderen fein riechenden Broten. Wir kaufen ein paar Süssigkeiten für unterwegs und nehmen dann die Strasse nach Le Buisson, wo die Marktfahrer aber gerade ihre Stände abbrechen – wir sind wieder zu spät.

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Also weiter nach Cadouin in die Abbaye und Clôtre de Cadouin. Ein stattlicher

Kirchen- und Klosterbau, in dem heute keine Mönche mehr leben, dafür ein

Youth-Hostel eingerichtet ist. Ich will, dass Gitta mir in einem der fünf Beicht-

stühle die Beichte abnimmt, sie aber entgegnet, dass wir dafür kaum genügen

Zeit haben, wenn wir heute noch etwas anderes sehen wollen. Recht hat sie!

Dafür nehmen wir uns die Zeit, die fast ganz verblichenen, alten Wandzeich-

nungen und die farbenfrohen Kirchenfenster zu bestaunen. Als wir raus-

kommen regnet es in Strömen.

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Wir ziehen weiter, diesmal der Dordogne entlang über St. Cyprien nach Beynac,

einem bezaubernden kleinen Ort am Fluss und unter einem imposanten Felsen,

auf dem das «Château Beynac» majestätisch aufragt. Das Schloss diente

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übrigens Luc Besson für seinen Film über «Jeanne d’Arc». Wir wollen nun zum «Château Marqueyssac», dessen Geschichte in der Zeit der Klassik beginnt, als Bertrand Vernet de Marqueyssac das Anwesen 1692 erwirbt und rund um den Adelssitz Terrassen anlegen lässt. Uns interessiert hier vor allem der Park, die viel beschriebenen «Jardins de Marqueyssac». Der Grossteil der Gartenanlagen wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts angelegt. 1861 erbt der leidenschaftliche Gartenliebhaber Julien de Cerval die Domäne und widmet die letzten 30 Jahre seines Lebens der Verschönerung des Parks. Nach seiner Rückkehr aus Italien liess er zehntausenden von Buchs-bäumen pflanzen und machte Marqueyssac zu einer Art «Buchsbaumfantasie», für deren Pflege und den zweimal im Jahr anstehenden Schnitt heute acht Gärtner verantwortlich sind. Eimer der Spazierwege im Park führt auf eine Aussichtsplattform, von der man auf das idyllisch an der Dordogne gelegene Le Raque-Gagenac herabschauen kann. Da wollen wir heute noch hin, denn auch die alten, wunderschönen Steinhäuser in diesem Dorf kleben an einer hoch aufragenden Felswand. Sehr eindrücklich, vor allem, wenn man bedenkt, wann und sie diese Häuser erbaut wurden. Ein Meisterwerk der Baukunst.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Vom Garten des Schloss Marqueyssac aus sehen wir auf der gegenüberliegenden Talseite das riesige

«Château Castelnaud». Im Tal unterhalb des Schlosses standen während des Hundertjährigen Krieges

(1337-1453) Engländer und Franzosen einander bedrohend gegenüber. (Das ist vielleicht der Grund,

warum heute auffällig viele Engländer Häuser und Schlösser im Périgord besitzen und bewohnen. Es

gibt wöchentlich mehrere Direktflüge von England nach Bergerac!) Im «Château Castelnaud» (rechts)

kann man mittelalterliche Belagerungsmaschinen – Katapulte und Bilden (grösste und präziseste

Wurfwaffe) – besichtigen. Sehr eindrücklich, womit früher gekämpft wurde.

                                                                                                

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Blick vom Châeau Marqueyssac

über das Tal nach Beynac und das majestätisch darüber aufragende «Château Beynac»

Les jardins du Château Marqueyssac im Périgord noir

Kurz bevor es eindunkelt – ja, wir sind spät

dran, irgendwann schaffen wir es sicher-lich, früher loszufahren – wollen wir noch das «Château Milandes» (links) sehen.
Das Schloss war ab 1937 Wohnsitz der amerikanischen Tänzerin, Schauspielerin und Sängerin, Josephine Baker, die im zweiten Weltkrieg daraus eine Zuflucht der Résistance machte.Als wir ankamen, wurde

die Anlage gerade geschlossen, was uns auf dem Parkplatz eine äusserst hässige Französin, ja das gibt’s, unmissverständlich zu verstehen gibt. Jä nu dänn, morgen ist auch noch ein Tag.

Nach einem kurzen Abstecher nach

Le Roque-Gageac, ok, es ist schon

fast dunkel – scho wiede z'spot! -,

drehen wir ab Richtung Sarlat und

parken unser Ferienhäuschen» auf einer Hauptstrasse am Rande der Altstadt. Egal, Hauptsache eben, so fliegen wir nicht aus dem Bett.

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Wir haben Hunger, Martin Walker meint, die «Auberge le Mirandol» sei ein Besuch wert. Glück gehabt, das Lokal liegt in einer kleinen Seitengasse wenige Meter unterhalb unseres Stand-platzes. Quel chance. Mit den Daggeln waggeln wir also in die Altstadt und das Mirandol hat

tatsächlich noch die letzten beiden, nicht reservierten Plätze für uns frei. Allerdings nur auf der Gasse. Was soll’s, es regnet nicht (mehr) und es ist auch nicht bitterkalt. Foie gras, j’arrive!

IMG_0388.HEIC

 Ich kenne mich ja mit französischen Weinen nicht aus. Neben

 uns sitzt ein französisch sprechendes Paar und ich frage, ob

 sie aus der Gegens seien. Non, Monsieur – wir sind Touristen.

 Ok, wir auch. Aber: können sie uns einen Wein, einen roten, 

 empfehlen? Der Mann, er stellt sich später als Gerald vor, mag

 keine Weine aus der Region. Also ein schlechter Berater. Er

 gibt uns von seinem Wein je einen Schluck zum Probieren. Wie

 freundlich! Nun springt der Kellner in die Bresche, fragt nach

 unserem Gusto und schlägt dann guten Bergerac-Wein vor.

 Ein guter, wie sich herausstellen sollte.

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 Wir plaudern mit dem Paar vom Nebentisch, Gerald und  

 Florye, und finden heraus, dass sie aus der Gegend von La

 Rochelle sind, beide mal in der Schweiz gelebt und gearbeitet

 haben und nun daran sind, ihr Leben neu zu organisieren:

 «Wir haben genug und hart gearbeitet!» Das kommt uns

 irgendwie bekannt vor. Sind nicht Gitta und ich eben daran,

 uns ein neues «Bühnenbild» zu schaffen? Haus verkaufen,

Wohnung anschauen, Wohnmobil-Urlaub? Wir tauschen unsere Adressenaus, laden uns gegenseitig ein – und wer weiss, vielleicht sehen wir uns ja wieder. Vielleicht schon morgen. Sie haben praktisch die gleichen Reisepläne: La Roque-Gageac, Château Milande. dann hoch den Hügel zu unserer Emma, oder wie wir kürzlich am Heck eines Womos lesen konnten, «Hotel Campingski». Sehr kreativ. Unten in der Stadt lässt noch jemand ein Feuerwerk ab, sehr zum Leidwesen von Samy, dem die Knallerei gar nicht behagt. Dann aber: bonne nuit.

Josephine Baker und das Château Milandes

Samstag, 15. Oktober - Wir schlafen wirklich ausgezeichnet in un-serer «Emma», so hat Gitta unser Womo getauft. Von nun an reden

wir also nur noch von der

Emma. Sie stand heute Nacht

am Boulevard Nessmann,
grad oberhalb der bezau-bernden Altstadt von Sarlat. Es ist ruhighier, eben und sehr zentral. Neben unserem Standplatz liegt ein kleiner Garten, ideal fürs kurze Gas-sigehen mit den Dackeln. Am Haus vor unserem Standplatz ist eine Tafel angebracht, die auf einen gewissen Victor Nessmann hinweist. Ness-

mann, * 17. September 1900 in Straßburg; † 4. oder 5. Januar 1944 in Limoges von der SS ermordet, war ein elsässisch-franzö-sischer Arzt, Résistance Kämpfer und Opfer des Nationalsozia-lismus.

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Das Périgord ist überhaupt eng verbunden mit der Résistance, hier haben sie gekämpft und gelitten. Auch Josephine Baker schloss sich 1939 der Résistance an. Sie übergab als Kurier in Nordafrika Dokumente, machte den Pilotenschein, arbeitete für den französischen Geheimdienst und sang, obwohl sie sehr krank war, für die in Nordafrika stationierten Soldaten. Das alles und viel mehr wird im Schloss erzählt. Auch darum wollen wir nochmals zurück zum Château Milandes.

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Also, wir stehen gegen 08h30 auf, ich koche wie jeden Morgen Kaffee, dessen Geruch meiner lieben Gittas Lebensgeister weckt. Es ist Samstag und hier in Sarlat Markt-Tag. Unvorstellbar, wie viel von der Innenstadt dafür abgesperrt und autofrei ist. Wobei die Stände der Hauptgasse den üblichen Schrott – Lumpen (Kleider), Gürtel und andere Lederwaren, Steinzeugs, Bling-Bling-Schmuck, Handarbeiten und solches Zeugs – anbieten. Geht man in die Parallel-Gasse, dann wird’s echt bunt: Gemüse, Obst, Früchte, Foie gras, Trüffel, Käse, Fisch, Fleisch, Konserven mit eingemach-

ten Spezialitäten aus dem Périgord – tolle Sachen, die es bei uns nicht gibt.Wir kaufen ein, schliesslich, und zum Glück, hat Emma auch einen recht grossen Kühlschrank. Nun ist Zeit für einen Kaffee, der aber nicht wirklich gut ist. Dafür war der «Croque monsieur» hervorragend und ausgiebig.

Wir steigen wieder zur Emma hoch und stellen fest, dass wir seit Tagen weder heizen können noch warmes Wasser haben: die Heizung lässt sich nicht einschalten. Also rufe ich den Vermieter in Jestetten/D an und mit seiner Ferndiagnose und -anleitung gelingt es uns, die Heizung zu resetten. Es wird warm in der Emma und das Wasser heizt auf. Grossartig, dankeschön.

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Happy fahren wir raus aus Sarlat. Auf einem grossen, leeren Parkplatz unternimmt Gitta die ersten Fahrversuche mit unserem 7-Meter-Womo. Es gelingt ihr recht gut, sie findet sich rasch zu-recht. Dann übernehme ich wieder und wir fahren die kurze Strecke zum Schloss Milandes. Wieder kommen wir an den Gärten von Marqueyssac und am Château Castelnaud vorbei und errei-chen bei schönstem Wetter Milandes. Das Schloss wurde 1489

von François de Caumont, Graf von Castelnaud, für seine Frau ge-baut, die nicht mehr in der riesigen Festungsanlage von Castel-naud leben wollte, sondern sich ein kleineres Anwesen wünschte.

 

Ab 1938 mietete Josephine Baker das Schloss, 1947 konnte sie es kaufen. Sie veranlasste Strom- und Wasseranschluss im Schloss sowie im angrenzenden Dorf Milandes, welches damit das erste Dorf im Périgord mit diesen Annehmlichkeiten wurde. Josephine Baker beauftragte zudem eine völlige Erneuerung der Innenaus-stattung inkl. dem Einbau einiger Badezimmer. Ab 1953 adoptierte sie mit ihrem vierten Mann, dem berühmten Dirigenten Jo Bouillon, insgesamt zwölf verlassene Kinder verschiedener Rassen und Nationalitäten – zehn Buben und zwei Mädchen –, die sie von ihren Reisen mitbrachte. Sie sagte dazu einmal: «Alle Menschen

haben nicht die gleiche Hautfarbe, nicht die gleiche Sprache, nicht die gleiche Moral, aber sie haben das gleiche Herz, das gleiche Blut, das gleiche Bedürfnis nach Liebe.» Wie wahr und heute erst recht noch gültig!


Mit dieser Regenbogenfamilie lebte sie auf dem Schloss bis zum erzwungenen Verkauf 1969. Schuld war ihr verschwenderischer

Lebensstil, verbunden mit einer grenzenlosen Großzügigkeit, die die Schulden ins Unermessliche steigen liessen. Josephine war pleite.

 

Wir bleiben fast zwei Stunden im Schloss – die beiden Dackel müssen im Auto warten. Sie dürfen nicht ins Schlossareal, weil da zweimal täglich eine Greifvogelschau stattfindet: die grosse Eule, die herumfliegt, würde unsere beiden Hunde wohl sofort als Leckerbissen auf ihren Speiseplan nehmen. Und im Schloss zu Fotografieren war strikt verboten. Schade, eigentlich.

 

Tief beeindruckt von der Audio-Führung durchs Schloss und vom Leben von Josephine fahren wir weiter nach La Roque-Gageac,

einem kleinen Städtchen an der Dordogne. Wie viele Orte in die-sem Tal klebt auch La Roque-Gageac an den schroff aufsteigen-den Kalksteinfelsen. Unglaublich wie sich die Häuser an diese

Wände anschmiegen. Grosse Baukunst. Es ist Sonntag und hat irrsinnig viele Touristen. Wir lassen Samy und Tscharly schnup-pern, vertreten uns die Füsse und kehren kurz ein eine dieser Touristenfallen ein. Auf dem Fluss fahren grosse Barken und zeigen den Touristen – und einer Hochzeitsgesellschaft – die Schönheiten entlang der Dordogne.

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Wir sind müde und wollen heute eher früher einen Stellplatz für unser Nachtlager finden. In Les Chênes de Calviac soll es einen privaten Womo-Stellplatz geben mit Strom, Wasser, Schwimmbad, Duschen – allem, also, was Camper gerne haben. Wir fahren die paar Kilometer dahin, nur um festzustellen, dass der Platz zwar existiert, die ganze Infrastruktur aber bereits tief im Winterschlaf liegt. Enttäuscht ziehen wir weiter und entschliessen uns, einen Stellplatz in der Nähe des bezaubernden Städtchens Sarlat, an-zufahren. Er soll nur zehn Minuten von der mittelalterlichen Altstadt entfernt sein. Doch der Ort liegt hoch über Sarlat, ist mit dem Womo fast nicht zu erreichen, so schmal sind die Strassen. Und hinunter in die Stadt sind es bestimmt 20 bis 30 Minuten. Ganz zu schweigen von dem beschwerlichen Aufstieg aus der Stadt wieder hoch zur Emma. Auch hier wollen wir nicht bleiben und hoffen, dass der Stellplatz von letzter Nacht noch frei ist.

 

Nach wenigen Minuten steht Emma wieder am Boulevard Ness-mann. Bevor wir in die Altstadt zum z'Nacht gehen, nehmen wir noch einen kleine Apéro und recherchieren, welches Lokal für sein

besonders gutes Essen gelobt wird. Wir finden das

«3 Senses», das nur wenige Schritte von unserem Stellplatz entfernt ist. Es soll eines der 10 besten im Ort sein. Das wissen wohl andere auch, denn es ist ausgebucht, kein freier Tisch.

Scha-de, wir hätten auch draussen gegessen. Wir gehen weiter die Gasse runter zur Hauptgasse und stehen wieder von der Auberge le Mirandol. Da haben wir gestern gut

gegessen, warum heute nicht auch wieder. Der Sohn des Hauses meint, dass er in fünf Minuten einen Tisch für uns habe, also machen wir noch eine kleine Tour durchs Quartier. Nach dem Essen lädt uns der ausgesprochen freundliche Sohn und Kellner ein, die hauseigene Grotte zu besichtigen. Wir gehen durchs Lokal und tatsächlich, hinter der Theke erstreckt sich eine kleine Grotte. Wer hätte das gedacht.

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Gut genährt steigen wir wieder hoch zu Emma und legen uns zufrieden ins Bett. Ein eindrücklicher Tag geht zu Ende.

Rund ums Château Milandes
Blick zurück - um sagenhafte 55'000 Jahre

Sonntag, 16. Oktober - Heute wollen wir weiterziehen, nach Les Eyzies, Saint-Léon-sur-Vézère und Montignac. Eine geschichts-trächtige Gegend, in der unter anderem die ältesten Funde menschlichen Lebens, der Cro-Magnon-Menschen, gefunden wurden. Als Epoche der Cro-Magnon-Menschen gilt die Zeit-spanne vom ersten Nachweis von Homo sapiens in Europa vor annähernd 45.000 Jahren. Auf dem Weg möchten wir noch das grosse Château Puymartin besichtigen. Da die Hunde nicht rein-dürfen, fahren wir weiter durch Kastanienwälder zum festungs-ähnlichen Château de Commarque. Unterwegs begegnen wir einigen Jägern, die mit ihren Hunden den hier lebenden Wild-sauen nachstellen. Ein abenteuerliches Strässchen führt uns auf den Parkplatz in einer Waldlichtung, ca. 1 km vor dem Schloss.

Wir sind zu faul, um den steilen Ab- und Aufstieg zum Schloss unter die Füsse zu nehmen und lassen stattdessen die Hunde

die Gegend erkunden. Gitta putzt und saugt derweil Emma raus, mindestens solange der Akku des Handsaugers hält… Wir vier geniessen die Pause auf einer Holzbank an der Sonne. Dann machen wir uns wieder auf den Weg.

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In Les Eyzies-de-Tayac-Sireul biegen wir ab ins Vézère-Tal mit sei-nen unzähligen prähistorischen Stätten. Im Tal gibt es 147 Aus-grabungsstätten und 25 Höhlen mit prähistorischen Felszeich-nungen Und es ist das Tal, in dem Martin Walker lebt und viele der Inspirationen für seine Bruno-Romane bekommt. Wir kommen am Maison Forte de Reignac vorbei, einem hoch über dem Talboden

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

in den Kalkfelsen gebauten Felsenschloss. Es wird im Prospekt als «das seltsamste, das geheimste, das außergewöhnlichste und auch das geheimnisvollste Schloss» im Périgord beschreiben und als einen noblen Treffpunkt seit über 700 Jahren.

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Wenige Kilometer weiter überrascht uns eine weitere unglaubliche Stätte: La Roque Saint-Christophe, die wie folgt beschrieben wird: La Roque Saint-Christophe ist ein für seine Höhlen bekannter Kalk-steinfelsen im Tal der Vézère. In der Nähe liegen die Grabungs-stätten von Le Moustier, das für die Periode des Moustérien namensgebend war und wo die Knochenreste eines Neandertalers gefunden wurden. Die rund 900 m lange und 80 m hohe Felswand des Roque Saint-Christophe weist etwa hundert Abris (Unter-stände) auf, die sich auf fünf lange, vom Fluss ausgewaschene Hochterrassen verteilen. Diese natürlichen Halbhöhlen wurden schon im Jungpaläolithikum vor 55'000 Jahren (!) von Menschen bewohnt. Im Mittelalter diente eine im Fels entstandene befestigte Siedlung bis zu 1'500 Bewohnern als Schutz vor den Einfällen der Normannen und den Auseinandersetzungen im Hundertjährigen Krieg. Während der Religionskriege wurde die Anlage schließlich zerstört. Der Besuch von La Roque Saint-Christophe vermittelt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

einen Eindruck von den intensiven Aktivitäten seiner ehemaligen Bewohner. Zu sehen sind die Spuren, die sie im Fels hinterlassen haben: Kanäle, Pfostenlöcher, Wasserbehälter, Feuerstellen, Treppen und Gänge. Ein an den Felshang gebautes Haus wurde mit den alten Techniken rekonstruiert, ebenso wie verschiedene Baumaschinen des Mittelalters.

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Gitta und ich sind tief beeindruckt von den Bauten, vor allem wenn man bedenkt, welche Werkzeuge den Menschen dannzumal zur Verfügung standen. Dieses Staunen begleitet uns, seit wir mit un-serer Emma das Périgord geentert haben. Denn unsere Augen sind besoffen von den Eindrücken hier: nach jeder Kurve über-rascht uns eine neue Sehenswürdigkeit, ein wunderschönes Schloss, eine Burg, ein weitläufiges Gehöft oder schlicht eine traumhafte Landschaft mit Charolais- der Limousin-Kühen. Zur Umgebung passend passieren wir ein Museum für prähistorische Tiere. Zum Besuch des Museums, Miro wird's freuen, lädt ein

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

geschmiedeter Saurier ein. Miro wüsste natürlich, um welchen es sich hier handelt, Erstaunlicherweise, wenn man den Konsum von Foie gras im Périgord bedenkt, sehen wir aber überhaupt keine Gänsefarmen.

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Dafür ist die Vielzahl der Châteaus beeindruckend. Ich glaube in der Schule gelernt zu haben, dass in den Schlössern Herrschaf-ten wohnten, die grösseren Landbesitz hatten, der von den Unter-tanen beackert wurde. Wenn man dann aber hört, dass einem Schloss-herrn, wie zum Beispiel François de Caumont, Graf von Casteln-aud, zig Quadratkilometer Land gehörten, ja sogar eine ganze Talschaft, dann fragt man sich schon, welches Land denn die vielen anderen Schlossbesitzer in der Gegend bewirtschaf-

Dieser interessante Baum empfängt uns am Eingang von Les Eyzies

Die Natur holt sich alles wieder zurück (li), am längsten überlebt der gemauerte Kamin.

Was für spannende Geschichten uns dieses Cheminée wohl erzählen könnte ?

Mit Kranen und Seilzügern wurden die Waren vom «Unterdorf« in die obere Stadt gehievt.

In einem der Dörfer entdeckt Gitta diese Skulptur, die als Schatten ein spannendes Gesicht an die Wand wirft.

teten. Wir haben auf keiner unserer bisherigen Reisen so viele, sehr gut erhaltene Schlösser gesehen. Unglaublich.

 

Und dann, plötzlich, kurz vor Saint-Léon-sur-Vézère, fahren wir entlang einer Gänsefarm, wo sicherlich 500 Gänse in friedlicher Freilandhaltung Siesta halten. Es gibt sie also doch!

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Hier, in Saint-Léon-sur-Vézère, lebt Martin Walker, wenn er im Périgord ist. Saint-Léon liegt direkt an der Vézère und ist ein

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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kleiner, wunderschöner, alter Ort mit einer grossen Kirche und – natürlich – einem Schloss. Wir erkunden das Dorf, finden die schöne Gartenterrasse der Auberge du Port und geniessen ein kleines, feines Mittagessen. Dann fahren wir zum Château de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Losse, das für seine schönen Gärten bekannt ist. Leider sind auch hier keine Hunde erlaubt, also suchen wir unseren Stellplatz am Rande des Städtchens Montignac. Kurz vor dem Ort, auf einem leeren Carrefour-Parkplatz, will Gitta wieder üben und übernimmt das Steuer. Nach ein paar Runden wird sie mutiger und fährt nach Montignac rein. Dann wird’s ihr doch zu eng und ich setze mich wieder ans Steuer. Wir finden unseren Stellplatz, der alles bietet – ausser einer Dusche.

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Gitta duscht also zum ersten Mal im Womo, gegen Ende der Wäsche lässt die Wassertemperatur nach. Wieso? Ist doch alles eingeschaltet. Leider nein, die Heizung ist wieder ausgestiegen und wärmt demnach auch kein Wasser auf. Also erneut: reset. Nun dauert es aber eine ganze Weile, bis das Wasser wieder warm ist. Ich werde erst morgen früh duschen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Wir setzen uns vor die Emma in die Sonne und geniessen eine kleinen Apéro. Die Hunde an der langen Leine nagen an ihren Knochen – es hat noch andere Hunde- und Katzenbesitzer mit ihren Womos auf dem Platz. Die Sonne geht unter und ich mache uns einen Znacht: Bratwurst vom Niedermann, unserem Haus-metzger in Uhwiesen, mit Gruyère-Rösti us de Migros. Dazu eine gute Flasche Rotwein aus unserem Dorfladen, ein Insoglia aus der Toskana.

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Jetzt wollen wir eigentlich eine weitere Premiere auf unserer Probe-tour feiern: den Sonntags-Tatort im Womo schauen. Der Tatort ist nicht nach unserem Gusto und so mache ich lieber noch einen Nachtspaziergang mit den leuchtenden Hunden nach Montignac.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Danach will ich eigentlich noch am Blog schreiben. Aber ich bin zu müde, lege mich ins Bett und schlafe sofort ein. Bis mich der Re-gen in der Nacht weckt und ermahnt, die Dachluken zu schliessen, bevor die Emma voll Wasser läuft…

Das Essen war hervorra-gend, die Kaffeetasse elegant. Aber Gitta
versteckte sich wegen meines Handyfotos hinter ihrer Sonnenbrille: «Ich
sehe so ungepfegt aus heute...» So what.

Der erste Ruhetag

Montag, 17. Oktober - Als wir aufstehen regnet es nicht mehr. Gitta putzt und ich schreibe weiter am Blog, denn wir sind hier mit einer externen Stromquelle verbunden und ich kann alle elektrischen Geräte laden oder benutzen. Denn die beiden 230-Volt-Steckdosen in der Emma funktionieren nur, wenn wir am Stromnetz hängen. Die Handys allerdings lassen sich über das 12-Volt-Stromnetz der Emma laden.

 

Das Périgord ist übrigens in vier Regionen unterteilt. Das Périgord «Vert» im Norden ist heute zum grössten Teil Landschaftsschutzgebiet. Das Périgord «Blanc», das sich im Zentrum der Region um Périgueux und bis an den Westrand erstreckt, wurde wegen seines weissen Gesteins und der Stein-brüche von Saint-Astier so benannt. Das Périgord «Pourpre» ist das Weinland rund um Bergerac. Und obwohl dort viel trockener und süsser Weisswein und Rosé produziert wird und die Gegend berühmt ist für den goldenen Monbazillac, wird sie das purpurne Périgord genannt. Und zwar wegen den dort vorherrschenden Traubensorten Cabernet Sauvignon und Merlot. Hier in Montignac sind wir im Périgord «Noir», das im Osten liegt (wie das Château Milandes und die Jardins de Marqueyssac) und so benannt wird, wegen der Walnüsse, die dem Vin de Noix seine russige Farbe geben und der schwarzen Trüffel. Noch nie haben wir so viele Nussbaum-Plantagen gesehen wie hier.

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Wir entscheiden uns einen Ruhetag einzulegen, also nichts zu unternehmen. Gut so, denn die Augen und der Geist mögen fast nichts mehr aufnehmen. So viele Eindrücke haben uns in den letzten Tagen «erschlagen», wir sind ermattet. Was uns im Périgord besonders gefreut und beeindruckt hat, war die wunderschöne und abwechslungsreiche Landschaft, wo man hinter jeder Kurve entweder vom Anblick eines der unzähligen, sehr gut er- und unterhaltenen Schlösser überrascht wird. Oder man erfreut sich eines ebenso unversehrten, historischen Dorfes oder Städtchens, dessen Häuser von einer Architektur der steil aufragenden Dächer, Kirchen und Schlösschen geprägt sind. Hier hat der Krieg, oder sollte man besser sagen «die Kriege»?, zum Glück seine hässlichen Spuren nicht hinterlassen, nichts wurde zerstört: keine Häuser oder Dörfer, keine Schlösser oder historischen Stätten. Das Périgord ist eine harmonische, unverschandelte, geschichtsträchtige Landschaft mit netten, hilfsbereiten Menschen und einer fantastischen Küche! Gitta drückt es richtig aus: man fühlt sich wie in einem Märchen, wie in eine andere, frühere Zeit versetzt.

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Ich schreibe also den ganzen Tag am Blog, mit Hochladen ins Internet eine aufreibende und – vor allem – zeitraubende Arbeit. Ich gestehe: heute Nacht gehe ich erst um 4 Uhr früh liegen. Gitta liest viel und um 18 Uhr entschliessen wir uns eine Pause einzulegen. Zwecks Abendbrots.

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Wir fragen den Platzwart, ob denn überhaupt ein Lokal offen habe, an diesem «nachferien Montag». Er runzelt die Stirn, kein gutes Zeichen, nennt uns aber zwei Namen. Nur: eines hat geschlossen, das andere steht zum Verkauf, wie sich herausstellen sollte. Also ziehen wir Vier los und spazieren eine halbe Stunde ins Zentrum. Eine sehr schöne Abendstimmung begleitet uns dabei. Ausser ein paar Bars haben tatsächlich fast alle Restaurants geschlossen. Aber wir finden ein nettes Lokal am Ufer der Vézère. Salat mit warmem Ziegenkäse und Honig für Gitta, Foie gras/porc-Terrine für mich. Dann Foie gras an karamellisierten Äpfeln und «Cidre»-Saue (wieder für mich) und ein Fault Filet vom Limousin für Madame (und weil sie nicht alles mag, später auch noch für Samy und Tscharly…).

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Wir waggeln zurück, Gitta legt sich hin und ich schreibe weiter am Blog – eben bis 4 Uhr früh.

Montignac - ein weiteres reizendes Städtchen
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Die Reise ans Meer

Dienstag, 18. Oktober - Heute wollen wir den Tierpark «Parc du Thot» sehen, in dem sie versuchen, die Tiere der Vorzeit nachzu-züchten und dann natürlich die Höhlenzeichnungen von Lascaux. Wir fahren die wenigen Kilometer zum Tierpark und kaufen ein Kombi-Ticket «Parc et Lascaux».

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Selbstverständlich dürfen die Hunde hier auch nicht mit und so lassen wir sie abermals in der Emma. Zunächst schauen wir uns eine interessante 3-D-Show über den Klimawandel an. Sehr, sehr lehrreich und interessant. Angrenzend an den Kinoraum wurde ein kleines

Museum eingerichtet, das die Cro-Magnon-Men-schen bei ihrer Arbeit und verschiedene Kopien von Felszeichnungen zeigt. Dann spazieren wir durch den Park, sehen mächtige Auerochsen (die werden bis zu einer Tonne schwer),sehr schöne Wölfe, Steinbockartige Geissen, Rehe und zum Schluss unendlich bullige Bisons und vom Aussterben bedrohte Przewalski-Wild-pferde. Ich erinnere mich, dass wir, als ich noch bei der Swissair arbeitete, in einem holländi-schen Zoo gezüchtete Przewalski-Pferde im Rahmen eines Wiederansiedlungsprojekts, in mehreren Flügen mit einem Jumbo-Jet der Cargolux von den Niederlanden, via die Schweiz zurück in ihre ursprüngliche Heimat, die Mongolei, geflogen haben. Das waren, wie auch die Frachtflüge mit Alpakas aus Peru nach Genf (und dann mit dem LKW ins Wallis), für mich die Highlights des Flugfrachtgeschäftes schlechthin. Natürlich waren andere Spezialfrachtflüge auch nicht ohne – aber eben: livestock is different.

Zurück bei Emma, die Hunde waren sehr brav, fahren wir zurück nach Montignac, wo mit Lascaux IV, ein bedeutendes Zentrum gebaut wurde, das die Historie des Tals und der sensationellen, Jahrtausend alten Felsenzeichnungen anschaulich zeigt. Seit 1979 zählt die Höhle von Lascaux zusammen mit anderen Fundorten und Höhlen im Tal der Vézère zum Weltkulturerbe der UNESCO.

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Zunächst ärgern wir uns, dass die Womo-Parkplätze unendlich weit vom Eingang entfernt sind, und dann auch darüber, dass die Hunde nicht mitgenommen werden dürfen. Da wir keinen Schattenplatz für Emma und die Hunde finden – ein Muss bei Temperaturen von 26 Grad wenn die Daggeli «daheim» bleiben müssen – schlage

ich Gitta vor, dass wir nun ans Meer fahren könnten. Knapp 400 Kilo-

meter kann man an einem Nachmittag schon schaffen. Und Replikas

der Felsenzeichnungen haben wir nun ja gesehen. Klar gäbe es noch

mehr Interessantes zu entdecken, jetzt aber fahren wir zufrieden gen

Süden. Denn eines ist klar: Das war nicht unser letzter Besuch im

Périgord, wir kommen wieder – und dann für zwei oder drei Wochen.

So viel hat diese Region allemal zu bieten.

 

Traurigen Herzens verlassen wir die schöne Gegend des östlichen

Périgords und erreichen bei Souillac die A20 Richtung Toulouse.

Gitta meint: jetzt kommen wir wieder in die Zivilisation! Sie hat nicht

Unrecht nach den Bildern und eindrücken der letzten Woche.

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Wir halten kurz an – Zigipause für Gitta, Beine hoch für Samy und

Tscharly. Die Raststätte, ist eine der schönsten, die wir je gesehen

haben. Unterhalb des brandneuen Restaurants, an einen Fluss

angrenzend, lädt eine schöne, parkähnliche Erholungsanlage zum

Verweilen und Ausruhen ein.

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Dann übernimmt Gitta das Steuer. Für mich leider viel zu wenig lang, denn ich wollte mich eigentlich fahrend aufs Ohr hauen. Doch Gitta wird von Krämpfen im Bein geplagt und wir steuern erneut eine Raststätte an. Ich setze ich mich wieder ans Steuer und wir fahren im Sonnenuntergang weiter Richtung Meer. Gitta bemerkt zu Recht, dass ich etwas mit Müdigkeit kämpfe. Also erneut runter von der

Bahn und Halt an einer Raststätte. Nach einer 30-minütigen Powernap – das ist so herrlich, wenn man mit dem eigenen Haus unterwegs ist – fahre ich frischund munter weiter.

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Wenn immer möglich oder nötig, bunkern wir Diesel. Wer weiss, wie lange

die Franzosen noch streiken, resp. wie lange wir noch Treibstoff bekommen. Diesel sei zwar kein Problem, hat man uns gesagt. Wie wahr, denn auf der Autobahn wird man nur darüber informiert, dass es zum Beispiel auf den nächsten 50 km kein «sans plomb» (bleifrei) mehr gäbe. Interessant ist, dass der Dieselpreis teilweise um mehr als 30 Cents variiert und an einigen Tankstellen auf 25 oder 30 Liter beschränkt ist. Ich überliste das System indem da ich hintereinander mit zwei verschiedenen Kreditkarten tanke.

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Erneut glauben wir, ausser rund um die Ballungszentren wie hier Montauban und Toulouse, zu Träumen, denn die Autobahn ist wie ausgestorben. Etwas,

was uns schon die ganze Reise überrascht: wenn wir unterwegs sind, herrscht kaum Verkehr. Wunderbar.

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Es ist schon dunkel als wir auf der linken Seite der A61 die hell beleuchtete, grosse, befestigte Altstadt-Festung von Carcassonne erblicken. Traumhaft. Den Besuch dieser Stadt heben wir uns aber für ein anderes Mal auf. Jetzt wollen wir zügig ans Meer. Wir machen nochmal einen kurzen Halt und schauen auf der «park4night»-App, einem genialen Tool für Camper, wo wir am besten übernachten könnten. Die App nennt uns einen schönen Stellplatz in Sérignan Plage, südlich von Béziers. Wie wir dort ankommen – es ist schon bald 22 Uhr – ist der Platz natürlich geschlossen. Was nun?

 

Wir fahren weiter ans Meer und kommen auf einen riesigen, leeren Parkplatz,

der erstaunlicherweise nicht durch eine auf 2.20 Meter angebrachten Barriere für Womos gesperrt ist. Also hinein und nach einem – ihr ahnt es – ebenen Stellplatz schauen. Wir finden den. Neben uns eine kleine Düne und knapp 20 Meter dahinter schlagen die Wellen ans Ufer. What a chance, what a place. So gehen Womo-Ferien auf wilden Standplätzen.

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Frischwasser haben wir genügend gebunkert und der Abwassertank ist auch noch nicht voll. Zufrieden nehmen wir noch einen Nightcup, lassen die Hunde rumspringen und rumpinkeln und legen uns dann, vom Meeresrauschen begleitet, ins Bett.

 

Heaven on earth.

Camargue, mon amour

Mittwoch, 19. Oktober - Eigentlich wären wir gerne noch eine Nacht hiergeblieben. Es ist so schön ruhig, verlassen, aber auch wild und unmittelbar am Strand.

Gitta würde sich freuen, endlich im Meer zu schwim-men, aber es ist zu windig, zu kalt. Und die Wetterpro-gnosen für die Region sind auch nicht berauschend. Weiter östlich, in der Camargue scheint es besser

und sonniger zu sein.

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Nach ein paar Tassen Kaffee sind wir wieder auf der Strasse. Über Agde, Sète, Aigues-Mortes fahren wir nach Saintes-Maries-de-la-Mer. Hier waren wir vor

drei Jahren, auch im Oktober, mit Andrea und den Kindern. Hier hat es uns gut gefallen.


In Sète machen wir Pause. Mitten in der Altstadt fin-den wir einen genügend grossen Parkplatz für Emma. Am nahegelegenen Kanal essen wir in einem der vielen Bistros eine Kleinigkeit. Gitta ihre Moules, die waren aber nicht sonderlich, sie hat kaum die Hälfte gegessen. Ich bestellte etwas mir Unbekanntes nach einem Rezept der Familie, was sich als eine Art fran-

zösisches Gulasch mit Rindvoressen und Würsten präsentiert. Nicht schlecht – aber auch nicht die Küche des Périgord… Nach knapp 2½ Stunden ziehen wir weiter.

So gegen 17 Uhr kommen wir in Saintes-Maries an und entscheiden uns für den grossen Camper-Parkplatz westlich des Ortes. Wir sind keineswegs allein und die Infrastruktur lässt zu wünschen übrig. Wir finden einen netten Platz, wieder nur von einer Düne vom Strand getrennt. Kurz vor dem Eindunkeln spazieren wir gut 30 Minuten dem Strand entlang nach Saintes-Maries. Samy und Tscharly lieben den Sand. Wir haben zwar keinen Hunger mehr, dafür Lust auf einen Apéro in einem der noch offen Bistros. Viele sind es nicht mehr, die Urlaubszeit und die Saison 2022 sind endgültig vorbei. Wir schlendern durch die Gassen, einige Läden haben noch geöffnet, viele aber auch schon geschlossen. Und wie das Leben so spielt: «Etwas Kleines könnten wir schon noch essen, oder?».

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Wir entscheiden uns für ein gut besuchtes kleines Restaurant, bestellen unseren Apéro und die viel beschäftigte Kellnerin stellt uns die dicht beschriftete Menu-tafel hin. Am Nebentisch sitzt eine französische Familie, drei Generationen. Apérol Spritz und Gin Tonic kommen schnell, die Servierdame drängt uns zu

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bestellen. Doch wofür wir uns auch ent-scheiden – es ist für heute ausverkauft. Wir finden doch noch etwas und bitten zweimal vergeblich um Wasser für die Hunde: excu-sez-moi, j’ai oublié! Die Serviertochter ist allein und hat viel zu tun. Doch nach einer Stunde warten haben wir die Schnauze voll. Die ge-stresste Kellnerin serviert der Drei-Genera-tionen-Familie, die nach uns bestellt haben, deren Essen – gut für die beiden kleinen Kinder, sie mussten geduldig auch fast eine Stunde warten. Unser Essen ist aber noch immer nicht zubereitet. Wir bezahlen unsere Zeche, nur die Getränke, und verlassen das Lokal, begleitet von den hässigen Blicken der Wirtin.

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Auf dem Heimweg zurück zu Emma, genies-sen wir den Nachtspaziergang und für die Hunde gibt es viel zu Schnuppern. Gitta freut sich, morgen im Meer schwimmen zu können.

Sète en détail
Saintes-Maries-de-la-Mer

In der Mas de la Grenouillere waren wir 2019 mit Andrea, Leni und Miro. Leni liebte die Pferde, Miro die Stiere.

Donnerstag, 20. Oktober - Als wir aufwachen ist der Himmel grau verhangen und es weht ein strammer Wind. An ein Bad im Meer ist nicht zu denken. Arme Gitta. Wann kann sie endlich schwimmen? Bei dem miesen Wetter hier zu bleiben, macht keinen Sinn, zumal die Prognosen nicht besser, sondern eher schlechter sind. Am Freitag soll’s gar regnen.

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Was nun? Mein Handy klingelt und unser Freund, Peter Schoch, erkundigt sich nach unserem Befinden und nach unserem Standort. Wir teilen ihm mit, dass wir gedenken, in seine Richtung weiterzuziehen. Peter mietet seit Jahren im Oktober, oberhalb Sainte-Maxime, ein Haus für ein paar Wochen. Er liebt diese Gegend, das Meer und die umliegenden Golfplätze und überlegt sich, ob er hier ein Haus oder eine Wohnung kaufen soll.

Wir brechen auf, fahren nach Saintes-Maries zum Shoppen. Für die Weiterfahrt kaufen wir uns zwei Sandwiches. Hätten wir uns auch sparen können, sie waren trocken und mit wenig «Inhalt» belegt. Aber wir entdecken an der Rue Victor Hugo – der hat in Frankreich glaub’s überall eine Strasse – einen ungemein attraktiven und äusserst ge-schmackvoll hergerichteten, zur Gasse hin offenen Laden: Marius & Olive aus Aigues-Mortes. Es werden nur Produkte aus der Camar-gue und der eigenen Produktion angeboten. An der linken Wand X Sorten Reis, am Verkaufs-tresen an der Rückwand Käse, Wurst und Trockenfleisch und rechts erschlägt einem ein wandfüllendes Regal mit unglaublich vielen Sel du Camargue und Fleur de Sel, feinen, groben, natur und aromatisiert. Ich bin beeindruckt und muss einkaufen. Das wird die heimische Küche

in Flurlingen bereichern. Darauf freuen wir uns.

 

Über Arles, Aix-en-Provence, und Fréjus errei-chen wir – wieder von der App «park4night» empfohlen – **** au Paradis des Campeurs, einen grossen Stellplatz am Meer mit altem Baumbestand. Die Infrastruktur ist hervorragend, neben Strom und Wasser am Stellplatz, gibt es im Camp auch WCs, Duschen, Waschmaschinen und Trockner und einen direkten Zugang unter der Strasse hindurch zum Strand. Als wir an-kommen, kämpft die Sonne gegen die aufkom-mende Bewölkung, aber es ist trocken. An der Récéption bekomme ich einen Lageplan des Camps, auf dem die drei verschiedenen Berei-che des Platzes – laut, weil näher bei der Strasse, weniger laut, weil weg von der Strasse, gross-

zügig, weil leiser und mit doppelter Standfläche – und die nummerierten Standplätze eingezeichnet sind. Die Dame meint, wir sollen zu Fuss einen Rundgang machen und den für uns passenden Platz aussuchen. Wir finden einen «Grosszügigen» und buchen vorerst für drei Nächte. «Unser» Platz ist mittlerweile besetzt, wir nehmen einen daneben. Schön unter einem grossen Baum (der auch den TV-Satellitenempfang verhindert) und nach einer ¾ Stunde hangen wir am Strom und sind eingerichtet. Gut, wieder einmal ein paar Tage und Nächte stationär zu sein. Wenn auch das abwechslungsreiche Womo-Reisen seinen Reiz hat, eine Pause tut immer wieder gut.

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Um 19 Uhr holt uns Peter Schoch ab und führt uns zu seinem Haus, wo seine Freundin Yisel und ein fürstliches Nachtessen auf uns warten. Es wird ein gemütlicher Abend. Ich rüste beim Bier Salat und schaue auf die Bratkartoffeln, Gitta und Yisel unterhalten sich blendend bei einem Glas Rotwein im grossen Garten, der von Samy und Tscharly interessiert inspiziert wird. Peter legt die Kalbskote-letten auf den Grill. Zur Vorspeise gibt es eine Fischsuppe, extra für Gitta, weil sie die so gerne mag. Kurz vor 23 Uhr fährt uns Peter wieder zurück ins Camp. Danke für das feine Essen und den schönen Abend.

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Heute sind wir vor allem gefahren, haben nicht viel unternommen. Trotzdem legen wir uns zufrieden und müde ins Bett – morgen soll’s regnen…

Petrus öffnet die Schleusen

Freitag. 21. Oktober - Der Regen weckt mich. Es ist 6 Uhr. Ich schliesse die Dachluken. Der Regen ist nicht stark und lässt auch bald wieder nach. Doch die Wolken hängen tief, kein gutes Omen. Nach dem Aufstehen lasse ich die Markise raus, breite darunter einen grossen Vorlegeteppich aus. Das haben wir von den versierten Campern gelernt. Der Teppich verhindert, dass der ganze Dreck ins Womo getragen wird und dass man draussen im Dreck sitzen muss.

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Eine weise Entscheidung, denn nach anfänglich verhaltenen, wiederkehrenden kurzen Schauern öffnet der Himmel nun seine

Bekannten in Überlingen einen baugleichen Camper ange-schaut.Emma gefällt ihr. Peter ist von der Kombi «erst WC dann schwupp Dusche» beeindruckt. Wir sitzen gemütlich am Schärme und Quatschen bei einem Bier (die Gäste) und (die Gastgeber) bei einem Glass «Krü», Flurlinger Weisswein, von dem ich meine letzten beiden Flaschen extra mitgenommen habe.

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Nach einer Stunde verlassen uns unsere Freunde wieder und ich überlege mir, was ich meiner lieber Frau und tapferen Reisebeglei-terin zum z’Nacht kochen könnte. Wir haben Reis mitgenommen und im Laden habe ich heute morgen «Gambas, iefgekühlt», ent-

Schleusen und es schüttet in Strömen. Kein Tag zum Baden oder Sightseeing. Da-für der perfekte Tag zum Wäsche waschen. Vorher erkunde ich aber mit Samy und Tscharly den Strand und das Camp.Nun schnappen wir unsere Dreck-Wäsche-Säcke, ziehen die Betten ab. Heute werden wir insgesamt vier Ma-schinen waschen,

zwei jetzt. Gleich ausserhalb des Camps habe ich auf dem Daggel-Waggel einen kleinen Laden entdeckt, der alles verkauft, was ein Camper brauchen kann. Nebst wichtigen Lebensmitteln, wie

frisches Obst und Gemüse, tiefgekühltes Fleisch und Meeres-getier, Konserven auch Near-Food und Non-Food-Artikel und – ganz wichtig – täglich frisches Brot.

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deckt. Ich schlage einen Risotto mit Gambas und Fenchel vor. Gitta gefällt die Idee. Also gehe ich ins Lädeli und kaufe die Riesengarnelen und, weil es keinen Fenchel gibt, ein Glas geschnittene Champignons. Auf dem Weg dorthin stelle ich noch die zweiten zwei Waschmaschinen zu.

Dann setze ich mich wieder an den Compi, wir haben ja Strom à gogo, und trage unser Blog-Tagebuch nach. Gitta macht auf dem Weg ins Waschhaus wieder die Hunde dreckig und stopft die Wäsche in den Tumbler, ich fange ich mit dem Kochen an. Wir haben einen Drei-Flam-migen Gasherd. Ich habe immer gedacht, dass das das Minimum sei zum Kochen. Aber das stimmt nicht, zumal auf der doch kleinen Fläche nur zwei und nicht drei Pfannen gleichzeigt erhitzt werden

Wir nehmen eine Dusche, waschen wieder einmal die Haare und dann serviere ich Gitta ein Rührei und die frische Baguette. Ein-fach aber gut. Es schüttet fürchterlich, den Hunden muss nach jedem Lackerl der nasse Dreck vom Bauch, der so nahe am Bo-den schwebt und von den Pfoten abgewaschen werden. Die würden sonst, wie wir mit unseren Schuhen auch, eine schreckli-che Sauerei in der Emma verursachen. Bei diesem Wetter müssen nicht die Hunde, sondern die Schuhe draussen bleiben.

 

Im Laufe des Mittags kommen Peter und Yisel zur «Hausbesichti-gung» vorbei. Sie waren auf dem nahegelegenen Golfplatz von Roquebrune 18 Löcher spielen. Geregnet habe es bei ihnen nicht. Yisel interessiert sich für ein Womo und hat vor Wochen bei einem

können. Es ist nur eine Frage der Organisation und Planung der Kocherei. Es wird ein einfaches und feines Risotto, wir werden locker satt.

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Gitta holt mit den Hunden die Wäsche aus dem Trockner und wäscht dann halt wieder Samy und Tschalry. Derweil wasche ich ab und Gitta legt die saubere Wäsche zusammen. Es ist doch schon einige Schmutzwäsche zusammengekommen, seit wir vor 13 Tagen aus Flurlingen abgereist sind. Während ich weiter am Tagebuch schreibe, sitzt Gitta unter der Markise und liest in einem Buch. Das haben wir in den letzten Tagen definitiv zu wenig getan, ein Buch zu lesen. In den nächsten Tagen werden wir wohl mehr Zeit dafür finden. Kurz nach Mitternacht legt sich Gitta ins Bett, ich schreibe und layoute noch etwas....

 

Morgen soll die Sonne scheinen.

Endlich im Meer

Samstag, 22. Oktober – Im Laufe der Nacht hat der Regen aufge-hört. Als wir erwachen tröpfelt es nur noch vom Baum, unter dem wir stehen. Ich bin noch etwas müde, da ich erst wenige Stunden vorher unter die Decke gekrochen bin. Wenn ich mal dran bin, am Hochladen und Layouten des Blogs, will ich es richtig und schön machen und kann kaum aufhören. So bin ich halt, manchmal ein Nachtmensch.

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Gegen zehn Uhr quakt mein Telefon. Es ist Peter der fragt, was wir heute machen wollen. Gitta möchte irgendwann mal St. Tropez sehen, jetzt, wo es keine Leute hat. Yisel und Peter finden das keine gute Idee und schlagen vor, dass sie nach ihrer Yogastunde zu uns kommen und wir an einem schönen Strand, in einem feinen Strandbeizli gute Mittagessen könnten.

 

Das finden Gitta und ich super, vor allem im Hinblick darauf, dass Gitta endlich im Meer schwimmen kann. Wir machen uns langsam parat. Nun fällt mir auch auf, dass es auf einem Campingplatz, wenn er auch noch so gross wie unserer ist, gleich ist wie bei einer Flugreise: egal auf welchen Sitz man sitzt (oder parkt), ein schrei-endes Kleinkind ist immer in unmittelbarer Nähe. Das kommt davon, wenn man ausserhalb der Ferienzeit reist. Denn dann, oder jetzt, sind nur Eltern mit Kleinkindern unterwegs oder eben grössere Kinder, Rentnerehepaare wie wir. C’est la vie!

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Kurz nach zwölf Uhr werden wir abgeholt und erreichen 15 Minuten später das Strandrestaurant «La Reine Jeanne» an einer wenig heute besuchten Bucht kurz vor Sainte-Maxim. Peter hat einen Tisch reserviert und wir sitzen im Sand am Strand. Was uns zum Essen aufgetischt wird ist fantastisch, der Rosé dazu passt ebenfalls. Nach den Dessertvariationen und dem Kaffee wechselt Gitta in die Badehose, Yisel legt sich an die Sonne und Peter und ich spazieren mit den Daggeli dem Strand entlang. Die Hunde lieben den Sand, rennen und tollen wild umher und treffen einige Artgenossen, mit denen sie entweder Spielen oder schlicht nur anbellen. Beides ok.

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Zurück im La Reine Jeanne treffen wir eine glückliche Nixe Gitta an: Sie hat die Stunde im Wasser in vollen Zügen genossen. Das freut mich, lange genug musste sie darauf warten. Um sechs sind wir zurück bei unserer Emma. Danke Yisel und Peter für diesen wunderbaren Tag.

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Ich entleere den Fäkalientank, muss auch sein, fülle Frischwasser auf und schreibe den heutigen Blogeintrag. Gitta sitzt unter der Markise, checkt ihre Mails und liest «news». Hunger haben wir beide eigentlich keinen mehr, vielleicht gibt es später noch etwas Käse und Brot. Wer weiss.

 

Wir unternehmen nicht mehr so viel wie im Périgord, man merkt das an der Länge unserer Blogeinträge und der vielfalt der Bilder....

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Ein Sonntag in Frankreich

Sonntag, 23. Oktober – Es ist trocken, als wir aufwachen, die Sonne kämpft gegen die Wolken. Kaffee und Medis, ihr kennt das schon. Hunde-Waggel, einige von euch kennen das auch. Was wollen wir heute machen?

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Der rettende Anruf von Peter und Yisel kommt: wir könnten laufen gehen und dann noch auf die Driving-Range. Driving Range? Das ist ein no-go für Gitta. Vor Jahren, mir zuliebe, nahm sie ihn Dachsen auf der dortigen Driving-Range an einem kühlen Sonntag einen ersten Kurs. Bei zehn Grad Celsius meinte der Teacher, nachdem Gitta einen Ball einigermassen gut getroffen hatte: Das musst du nun noch 1'000 Mal machen. Wer Gitta kenn ahnt es: Dieser Satz beendete eigentlich bereits Gittas Golfkarriere. Trotzdem unternahm sie nochmals einen zweiten Anlauf, 2001 in Paarl/ Südafrika. Eigentlich wollten wir für zwei Monate nach Asien, aber die Wirren um die Swissair - der CEO Philippe Bruggisser wurde gerade in die Wüste geschickt -  ver-

hindert dieses Time-out. Statt-dessen flogen wir nach Südafrika, nach Paarl und Kapstadt. Allerdings ging es

damals Mirko, Gittas Vater, nicht gut und sie war nicht bereit, ihr Herz dem Golfsport zu öffnen. Muss man(n) verstehen, klar.

 

Eigenartig fand ich damals – wir wurden von einem Buddy vom

Golfprofi Ernie Els unterrichtet –, dass auf der Driving Range ein Schwarzer (native African) stand. Der Pro drängte mich abzuschla-gen, ich erwiderte: da steht ein Mensch! Der Pro beschied mir: Der steht für das Bälle sammeln dort, schlag endlich…

Zurück nach Frankreich. Peter und Yisel holen uns ab und wir fahren ins Hinterland, an den Fuss des Roquebrune. Für die Leute hier muss es eine Art Ayers Rock der Provence sein. Ein mystischer Kraftort. Ein imposanter Felsklotz, den man auch besteigen kann und darf - im Gegensatz zum Uluru, wie die Aborigines ihren heiligen Berg nennen.

 

Wir spazieren entlang eines kleinen Sees. Wir sind nicht allein am Sonntag, geniessen trotzdem die Ruhe – bis eine kleine Dame, sie ist vielleicht 10 oder 11, an einem Motorboot hängend ihre erste Wasserski-Lektion bekommt. Sie macht das echt gut! Im angrenzenden Restaurant gibt es nichts zu Futtern. Sie machen sonntags nur Mittagsservice. Und wenn dann gegen vier Uhr alle angesäuselt sind und fortwanken, schliessen sie die Pforten. Küche zu.

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Wir fahren also Richtung Fréjus/St. Raphael, um gemütlich in ei-nem Bistro oder einer Brasserie etwas zum z’Nacht zu geniessen. Fréjus ist schrecklich. Kein Gesicht, kein Herz, Neubauten, eine triste Stadt. Einzig, wie jedes Jahr im Oktober, findet auf dem ehemaligen Militärareal, Base de Nature, ein Drachenflugtag statt. Großartig, was die Franzosen hier in den Himmel hängen. Wir hät-ten auch die französischen Meisterschaften im SUP (Stand-up Paddling) besuchen können, die gestern und heute hier statt-finden. Aber eben: wir sind in unserem Alter nicht mehr massen-tauglich…!

 

St, Raphael ist verträglicher. Bei einem, hässigen Kellner in einem Bistro am Hafen bestellen wir einen Rosé zum Apéro und warten auf die ersten Regentropfen. Wir hätten gerne etwas gegessen, aber nicht bei diesem Typen in diesem viel zu gut besuchten Promenadenbeizli. Zahlen und weg von hier. Nach einigen hun-dert Metern kommen wir zu einem Hotel, dem auch ein anstän-diges Restaurant angegliedert ist. Wir setzen uns – Essen gibt’s erst ab 19 Uhr – und bestellen einen Apéro. Dann wählen wir die Vor- und Hauptspeisen aus und den Wein dazu. Es werden wieder zwei Flaschen Rosé, Zu Glück sind wir nicht mit der Emma unterwegs, die friedlich im Camp auf uns wartet. Brave Emma. Braver Peter, der uns fährt. Das Essen hier ist reichlich und gut.

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Nach getanem Kauen und Schlucken bring uns Peter und Yisel zurück ins Camp.

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Gitta und ich reden noch ein Bisschen, Tscharly kotzt uns vor die Füsse. Saukerli. Ich hatte schon das Gefühl, dass sich einer der Hunde nicht ganz wohl fühlt – aber grad so! Kann, aber muss nicht sein. Wir legen uns ins Bett, mit Schlafen aber ist nichts. Nochmals lassen wir die Samy und Tscharly raus. Sie heben das

Haxerl, giessen die spärliche Wiese, ändern tut nichts. Samy findet keine Ruhe, tigert umher und erst um 03h30 findet er und ich den dringend nötigen Schlaf. Mindestens für mich – ich gehe morgen golfen mit Yisel und Peter. Die Hunde können locker tagsüber pennen. Sie wissen und tun das.

 

Oh happy day!

Golfen und Lesen

Montag, 24. Oktober – Heute ist ein typischer Herren- und Damen-Tag. Getrenntes Programm für Gitta und die Hunde und für mich.

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Wir stellen noch eine Waschmaschine zu bevor ich Peter und Yisel zu einer Golfrunde in St. Endreol abholen. Der Golfplatz liegt knapp eine halbe Stunde  Fahrt von hier. Der Himmel ist bewölkt, die Temperaturen aber absolut ideal, um Bälle durch die Gegend zu schlagen. Und Samy und Tscharly warten nur darauf, endlich raus zu kommen.

 

Derweil sich Gitta mit einem Kaffee und Buch vor die Emma setzt, bewacht von den zwei Kampf-dackeln. Sie will heute Lesen, an den nahen Strand gehen und vielleicht nochmals schwimen.

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Der Golfplatz St. Endreol ist ein Geissenplatz. Es braucht in der Schweiz schon mindestens vor-alpines Gelände, um so einen auf-und-ab-Platz zu bauen. Glücklicherweise hat Peter eine «Voiturette de Golf» bestellt. Ich kaufe noch einen Handschuh und ein paar Bälle, man weiss ja nie. Mein Golfbesteck steht daheim in der Garage, ich wollt es nicht mitnehmen, nur für einen Tag Golf-

spielen. Wir schnallen Yisels und Peters Golfbags auf die Voiturette und fahren zur Driving Range. Probehalber Bälle schlagen, nur um herauszu-finden, dass man es wirklich nicht kann. Der kürzeste Golfwitz lautet daher auch: «Ich kann’s!». Wie treffend. (Das entscheidende Wort bei diesem Spiel: treffen.) Wir spielen zu Dritt mit zwei Golfsets. Schaut komisch aus, aber es geht. Ob's der Golfetikette entspricht? Who cares!

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Wir geniessen einen wunderschönen Tag, trocken, nicht zu heiss und sind nach vier Stunden zufrieden zurück im Clubhouse. Ich täte schon noch ein Bier oder einen Schluck Rosé trinken, meine beiden Begleiter allerdings nicht. Und so fahren wir mit trockenen Mäulern zurück zu Gitta, Emma, Samy und Tscharly. Wir machen aber noch einen kleinen Umweg zur Domaine de L’Eouve. Die keltern einen hervorragenden Bio-Rosé. Davon wollen wir noch ein paar Flasche für zuhause mitnehmen. Und ich finde für Gitte den schon lange gewünschten Lavendel-Honig.

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Vor allem Samy ist ausser sich, völlig verliebt in Peter. Wann immer ein Dieselfahrzeug zu hören ist, Peter fährt einen Diesel-Volvo der Nordgarage in Feuerthalen (könnte ich mal als Blogsponsor anfragen…), jault Samy ganz aufgeregt auf und gibt Töne von sich, die wir eigentlich nicht kennen. Die gleichen Töne hören wir wieder, wenn Peter abfährt. Strange. Aber wer kann schon eines Hundes Seele lesen.

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Wir verabreden uns für morgen mit Yisel und Peter zum Mittagessen am Strand bei «La Reine Jeanne«. Richtig, da waren wir schon am Samstag

und hatten übrigens den Rosé, den wir heute kauften. Gitta will nochmals ins Meer, bevor wir langsam nach Hause aufbrechen müssen. Und wir die wun-derbare Vorspeise à partager mit gegrilltem Pulpo. Mit unseren Apéro-getränken sitzen Gitta und ich später vor der Emma und besprechen eben diese Heimreise. Morgen werden wir in Ste. Croix du Verdon übernachten. Die Gorges de Verdon sind sehr eindrücklich, der See türkis; ich kenne das alles von einer Motorradtour von ein paar Jahren. Gitta noch nicht.

 

Jetzt hat Gitta hunger. Ich versuche ein 1-Pfannen-Gericht und koche Hühner-geschnetzeltes mit frischen Nudeln (natürlich gekauft, die Nudeln) an einer Weisswein-Trüffelpesto-Rahm-Sauce. Gelingt und entpuppt sich als absolut gluschtig und fein.

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Nun noch den Tageseintrag in den Blog schreiben, Gitta ist schon hörbar im Bett. Die Hunde zum Pinkeln rauslassen, den Blog hochladen und dann lege auch ich mein Haupt sattsam müde aufs Kissen.

Adieu, Peter & Yisel

Dienstag, 25. Oktober – Heute ist Abreisetag. Wir haben’s aber nicht eilig. Gemütlich räumen wir zusammen und auf. Das heisst, die Emma einräumen, alles wieder gut verstauen, so dass es beim Fahren nicht herumfliegt. Ein Ding, das Womobilisten zu Beginn oft falsch machen: eine etwas schärfere Kurve und schon knallt’s weiter hinten im Mobil. Eine Kastentür oder Schublade nicht richtig verschlossen, eine Wasserflasche oder sonst was auf der Küchenablage stehen lassen – ein no-go, das dich bald laut krachend an dein Versäumnis erinnert.

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Also, aufräumen. Das heisst auch den Fäkalientank entleeren, Brauchwasser ablassen, Frischwasser auffüllen, Gartenmöbel einräumen und – richtig – festzurren, Markise einrollen, Vorlageteppich reinigen und zum Trocknen aufhängen und zu guter Letzt, Strom abhängen, aufrollen und die zerdepperte Kabelrolle einräumen. Alles geht am Standplatz, ausser das Ablassen der Flüssigkeiten. Dafür steht hier auf dem Campus und auf fast jeder Raststätte ein spezieller Platz zur Verfügung. Um 12h45 sind wir fertig und ich will noch die beiden Nächte beim Vermieter bezahlen, die wir länger als geplant geblieben sind. Pustekuchen. Die machen bis 14h30 Mittagspause. Wir werden auf dem Rückweg Richtung Gorges du Verdon bezahlen – vielleicht.

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Pünktlich um 13 Uhr treffen wir und Peter und Yisel bei Strandrestaurant «La Reine Jeanne» ein. Alle Parkplätze sind besetzt, so wird wohl auch das Restaurant sein. Und tatsächlich, wir bekommen den letzten freien Tisch, diesmal leider nicht im Sand. Macht nichts, wir freuen uns auf ein feines Mittagessen. Die Karte ist noch die gleiche, nur der «Poisson du jour» wechselt halt. Heute steht eine Dorade

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im Angebot. Nehmen wir aber nicht. Wir fragen, ob sie auch heute die gebratenen Pulpos haben, was sie mit einem Lächeln bestätigen. Wir bestellen also zwei Portionen «à partager» und eine Flasche Rosé der Domaine l’Eouve. Genau, von der Domaine, wo wir nach

dem Golfen die drei Karton Rosé gekauft hatten. Die äusserst freundliche Chefin – la Reine Jeanne? – freut sich darüber, dass wir bei der Domaine gesagt haben, woher wir den fantastischen Wein kennen, und bestätigt mit einem Schmunzeln: Ja, wir geschäften seit

35 Jahren mit dieser Domaine. Natürlich hat sie das auf französisch gesagt – meines ist aber nicht gut genug, um es im Wortlaut zu wiederholen. Nach den Pulpos bestellen wir zweimal Tataki de Thon und einmal Tartar vom Saumon – und noch eine Flasche Rosé.

Zum Dessert ordern wir, wie schon am Samstag, «Café Gourmand». Das ist ein Potpourri der Desserts, die sie hier anbieten: 5, 6 kleine Portionen feinster Süssigkeiten umschlingen einen kleinen schwarzen Espresso, der sich in der Mitte des Tellers niedergelassen hat.

 

Ich sehe, wie der Barmann mit seinem Handy das Musikprogramm des Bistros ändert, es wird laut. Mach bloss keine doofe Bum-Bum-Musik, denke ich. La Reine Jeanne und ihre Mitarbeiterin singen «happy birthday» und kommen mit einem Glas Champagner, an dem eine funkensprühende Wunderkerze klebt, aus der Küche. Eine nette Geste für einen Gast oder eine Gästin, denke ich. Doch sie kommen geradewegs auf mich zu, stellen das Feuerwerk vor mich auf den Tisch und klatschen singend in die Hände. Ich bin etwas verlegen, die anwesenden Gäste strecken ihre Hälse und singen und klatschen mit. Aber ich habe doch noch gar nicht Geburtstag, wehre ich mich. Noch bin ich erst 68, macht mich nicht älter. Aber Yisel meint: Ich fliege heute heim, bin an deinem Geburtstag nicht hier, kann nicht mit dir feiern – also machen wir das heute. Wie nett ist denn das? Danke Yisel.

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Nach all dem Konsum alkoholischer Getränke stellt sich nun die Frage: Wer fährt? Wir alle hatten genug. Also: Peter fährt Yisel zum Flughafen in Nizza und ich Gitta an die Gorges du Verdon. Hier in Frankreich locker möglich, wenn ich schaue, wer alles mit dem Auto hier ist und flaschenweise Wein trinkt. Apropos Wein: Wir haben Yisels Wein in Emmas Bauch gebunkert, nun nehmen wir auch noch ihren Golfbag mit nach Flurlingen. Dann hat sie weniger Stress am Flughafen. Es ist fast 16 Uhr als wir aufbrechen und uns verab-schieden. Es waren ein paar schöne Tage mit Peter und Yisel. Wir entscheiden uns nicht mehr zurück zum Camp zu fahren. Peter wird unsere Zeche für Standplatz #49 auf dem Weg nach Nizza begleichen. Dankeschön.

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Wir fahren Richtung Norden, wir wollen nach Saint-Croix-du-Verdon am Lac Saint-Croix, einem riesigen Stausee mit unglaublich türkisem Wasser. Ich war vor ein paar Jahren auf einer Tagestour mit unseren Töfffreunden da, als wir 10 Tage in Nizza Urlaub machten. Gitta und ich hatten damals keine gute Zeit und sie reiste vorzeitig wieder ab. War zwar blöd, damals aber wohl richtig.

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Unterwegs halten wir bei einem riesige Carrefour an und kaufen noch etwas ein. Vor allem einige Flaschen «Soup de Poisson», die sie hier in verschiedenen Varianten, aber immer in hervorragender Qualität, anbieten. Dazu noch ein paar Crevetten und ein Doradefilet, denn wir wollen die Suppe noch etwas pimpen.

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Wir fahren hinauf in die Hügel, im Abendverkehr durch Draguignan (grässlich, Emma leidet unter dem Stopp-and-go!) und erreichen kurz vor dem Eindunkeln – ok, wir fuhren wieder zu spät weg! – einen wunderschönen Aussichtspunkt am Westufer der Lac de Saint-Croix. Gegenüber, auf der anderen Seeseite, sehen wir das herzige Dorf Bauduen, klein, fein und aus Stein, das «hoch» über dem

halbleeren Stausee liegt. Der Beweis für einen äusserst trockenen und regenarmen Sommer. Am Dorfeingang steht auf dem grossen Parkplatz ein einsames Wohnmobil. Ein schöner Standplatz, denke ich. Doch wir sind auf einen Stellplatz in Saint-Croix programmiert und fahren die zehn Minuten bis dorthin weiter. Hätten wir ruhig bleiben lassen können, denn der Platz entpuppt sich als ein gesichts-loser Teerplatz ohne jeglichen Charme – von Strom, Wasser oder sonstiger Infrastruktur schon gar keine Rede. Einzig der Blick auf den See ist schon schön. Ich sehe die Enttäuschung in Gittas Gesicht: So hat sie sich diesen Abend nicht vorgestellt.

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Wir fahren 20 Minuten zurück und gesellen uns zum eben gesehenen, einsamen Wohnmobil eines deutschen Ehepaars. Emma steht gerade, Strom, Wasser oder sonstige Infrastruktur haben wir hier auch nicht. Macht nichts, wir haben von allem genug gebunkert,

heute morgen. Ich mache einen kurzen Daggel-Waggel am Strand, der über gut 50 oder 70 Meter steil zum Wasser abfällt. Wo ich gehe, hat’s wohl normalerweise Wasser. Jetzt sind es nur trockene Steine verschiedenster Grösse. Den Hunden ist’s egal – sie machen ihr Geschäft und ich putz' es auf. Ordnung muss sein.

 

Gitta und ich schälen die Crevetten, schneiden sie in Stücke, das Doradefilet auch und ich koche eine der gekauften «Soup de Poisson». Während die Suppe leise vor sich hinkocht, schwenke ich die Krebs-und Fischstücke in Butter und gebe sie zur Suppe. Die Knoblauchpaste und die Croutons können wir besser, haben aber nichts anderes. Gitta meint, die Paste könne sie in einem Salat verarbeiten, die Croutons den Möwen füttern. So haben alle etwas davon. Nach der Suppe, die sehr gut war, machen wir noch einen Spaziergang durch Dorf. Die Saison 2022 ist vorbei, die Bistros und Restaurants geschlossen, wir gehen durch ein Geisterdorf das «beschützt» wird von einem grossen, beleuch-teten Felsen. Erstaunlich früh gehen wir zu Bett. Morgen wollen

wir früh(er) raus.

Meeresrauschen unterm Sternenhimmel
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Mittwoch, 26. Oktober – Es ist kurz nach 8 als ich Kaffee koche. Gitta ist auch auf und Samy und Tscharly freuen sich auf einen Morgenspaziergang. Vom nahen, riesigen Militärübungsgelände hören wir Kanonendonner und Maschinengewehr-Salven. Leider, Denn diese Knallerei stört nicht nur die Idylle hier am See, son-dern ruiniert auch Samy den ganzen Tag. Nicht umsonst verreisen wir am 1. August: Samy leidet fürchterlich unter den Böllerschüs-sen und dem Kanonendonner, zittert am ganzen Körper, frisst nichts, geht nicht Gassi, findet keine Ruhe und hechelt hastig.

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Trotzdem müssen wir weiter. Wir wollen wir nach Moustiers-Sainte-Marie, sind aber auf der falschen Seeseite. Wenn wir in dieses wunderschöne und absolut sehenswerte Städtchen fahren, ver-lieren wir zu viel Zeit. Schliesslich wollen wir noch die Gorges du Verdon sehen, eine beeindruckende Schlucht, vom Wasser – das jetzt zwar spärlich fliesst – in Jahrtausenden tief in die Felsen geschnitten. Wir fahren die kurvige Strasse hoch auf über 1'000 Meter, immer am linken Ufer, oder besser, an der linken Felswand,

des Canyons entlang. Gitta mag nicht mehr runterschauen, fürchtet sich vor der schieren Höhe von mehreren Hundert Metern vom Aussichtspunkt zum Grund der Schlucht.

Wir kommen zu einer Hochebene und kochen eine Tasse frischen Espresso. Gitta pflückt hier wild wachsende Wachholderbeeren, die Hunde verheddern sich in den langen Leinen. Dann fahren wir wieder zurück Richtung Fréjus, wo wir auf die A8 abbiegen Richtung Cannes, Nizza dann über die unbemannte italienische Grenze hoch über San Remo mit seinen unzähligen Treibhäusern nach Imperia. Bei San Remo wälzt sich vom Meer her eine riesige Nebelwolke über die Anhöhe. Ein prächtiges, fast angsteinflössen-des Naturschauspiel. Einzigartig.

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Es ist 16h30 als wir ausserhalb Imperia, direkt am Meer, einen flachen «wilden« Standplatz entdecken. Es stehen schon zwei Womos da, für uns hat es aber noch genügend Platz. Zum Wasser sind es keine 30 Meter. Wunderschön. Kurz nach uns stellt sich ein weiteres Womo hin und die Dame sagt: Wenn ihr hierbleibt, dann bleiben wir auch hier. Klar bleiben wir hier. Näher am Strand geht nicht.

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Ich google nach Restaurants in Imperia, eine gut bewertete Osteria wäre 20 Gehminuten von hier weg. Wir stehen zwar neben einem grossen Helikopter-Landeplatz, aber auch sehr einsam. Ich fühle mich nicht wohl beim Gedanken, Emma hier im Dunkeln allein zu lassen und in die Stadt zu gehen. Immer wieder hört man, dass vor allem in Italien gerne in wild campende Wohnmobile eingebrochen wird. Das brauchen wir nun tatsächlich nicht zum Ende unserer fantastischen, bisher absolut tollen Probereise.

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Gitta setzt sich lesend in die Abendsonne, ich koche was wir im «Chuchichäschtli» haben. Farfalle mit Tomatensauce und frisch geriebenem Parmesan. Dazu eine Falsche österreichischen Weisswein vom Pfaffl, einen grünen Veltliner aus dem Weinviertel. (Ihr ahnt es – auch den habe ich von Flurlingen mitgenommen.) Wir haben es nämlich verpasst, auf der Raststätte, wo wir italienischen Espresso getrunken und Bier gekauft haben, auch noch eine Flasche Rotwein zu erwerben. Anfängerfehler eines Neo-Campers. Kommt alles in die Checkliste, die ich laufend ergänze. Für später, wenn wir wieder einmal – ganz bestimmt – Emmaferien machen.

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Gitta wäscht ab, macht dann einen Guet-Nacht-Waggel mit den Hunden, Samy hat sich einigermassen beruhigt. Und ich schreibe weiter am Blog. Schliesslich habe ich noch zwei Tage nachzu-holen. Nebenbei läuft am TV, ja, wir haben super Empfang, die Sendung «the taste», eine Kochsendung, bei der die Kandidaten eine Stunde Zeit haben, um dem Juror oder der Jurorin ein Gericht auf einem Löffel zu kochen und anzurichten. Für einen Hobbykoch wie mich eine lehrreiche Sendung, denn die Kandidaten werden von deutschen Topköchen gecoacht.

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Gitta und die Hunde schnarchen leise vor sich hin und ich bin

am Ende des heutigen Blogeintrages. Jetzt geniesse ich noch

den Rest des grünen Veltliners und lege mich dann auch hin. Oder vielleicht plane ich noch unsere weitere Heimreise, denn

was ich gestern geplant hatte – Gorges du Verdon, Imperia, Bra, Gannobio, Flurlingen – erwies sie heute als totale Fehlplanung:

ich habe einen Rückreisetag unterschlagen. Wir wollen am

Freitag in Bra im Restaurant «Boconndivino», der Wiege der Slow-Food-Bewegung, mein Geburtstagsessen essen. Damit wir

sicher einen Tisch bekommen, habe ich heute per mail reserviert: una tavola per due, per domani, 28. Oct… Domani aber ist erst der 27. Oktober, der Geburri meines lieben Bruders Hausi…

Sonnenaufgang im Bett

Donnerstag, 27. Oktober – Was für ein Aufwachen! Ich liege im Bauch der Emma im Bett und sehe aus dem Fenster wie die Sonne über dem Meer aufgeht. Traumhaft. Ich stehe auf, mache noch ein paar Sonnen-Fotos und lege mich dann wieder ins Bett. Es ist einfach einzigartig so im Bett am Strand zu liegen und aufs Meer hinauszuschauen. Hat man nicht alle Tage. Dann das übliche, Kaffee kochen, anziehen und in einen wunderschönen Herbsttag bei Temperaturen von über 25 Grad starten.

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Zusammen mit Samy und Tscharly unternehme ich einen längeren Spaziergang im nahen, schön angelegten Park. Die Hunde springen  herum und freuen sich, dass wir einen Tag ohne Fahren geplant haben. Sie spüren das anscheinend. Zurück vom Waggel lege ich mich schon bald für ein Mittags-schläfchen hin. Gitta geht ins Meer, gaaaaanz langsam steigt ihr der Wasserspiegel den Bauch hoch, doch dann schwimmt sie und geniesst ihre

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Wasserübungen. Wie sie überhaupt das Meer un-heimlich gerne hat und das Schwimmen liebt. Ich freue mich für sie.

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Um drei starten wir zu einer Tour in die Stadt. Bis wir da sind, haben auch die Läden wieder offen. Wir spazieren dem Hafen entlang und stechen dann in die Altstadt. Alle Strassen führen nach oben zu einer alles überragenden Kirche. Von da oben hat man einen wunderschönen Blick über die Bucht. Nun setz-ten wir uns in ein Strassencafé in einer Fussgänger-zone. Eine Pause, die wir uns nach dem harten Aufstieg im teilweise fürchterlich lauten und stinken-den Verkehr redlich verdient haben. Gitta probiert ein Paar Herbstschuhe, sie passen ihr nicht und vergisst dann ihre geliebte Sonnenbrille. Das merken wir aber

erst viel später, als wir schon wieder bei der Emma sind.

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In einer kleinen Gasse entdecken wir eine Metzgerei und beschliessen beim An-blick der Auslage, heute wieder im Womo zu Essen. Warum wir auf die so viel gelobte Küche Liguriens verzichten? Weil wir hunger haben und die Restaurants, die guten, erst um 19 oder 19.30 Uhr aufmachen. So lange wollen unsere Bäuche aber nicht mehr warten. Müssen sie aber – auch das finden wir erst später heraus. Wir kaufen etwas frische Kalbsleber, Käse, Eier, Rotwein, Brot, Aceto und getrocknete Tomaten und spazieren langsam durch die Gassen der

Altstadt hinunter zurück zum Hafen. Auf dem Weg zum Womo treffen wir im alten Hafen ein paar der Dorfältesten: vier spielen lauthals Karten, weitere vier gestikulieren wild und wissen’s besser. Wir gehen weiter und passieren eine Vielfalt unendlich grosser und entspre-chend teuren Jachten, auf denen man sich locker verlaufen könnte. Da kostet bestimmt jeder Meter eine Million Franken oder mehr. Einige davon wohl von Oligarchen und Ölscheichs geparkt. Die Heimathäfen – La Valetta, Douglas, Marshall Island – lassen jedenfalls auf steueroptimierte Offshore-Kon-strukte schliessen.

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Zurück bei Emma freuen wir uns auf ei-nen feinen Znacht: Läberli mit Rösti, dazu ein feines Glas Barbera d’Alba. Wir sitzen

am Tisch, ich schnetzle die Leber, Gitta schält die Zwiebel und ich probiere grad den Rotwein, als die Carabinieri vorfahren. Eher unfreundlich jagen sie uns fort. Ich sage, dass wir in einer Stunde weg sein werden, sie aber entgegnen bestimmt: Dieci Minuti! Wenn sie wiederkommen und wir noch immer hier seien, würden sie uns eine zweite Busse ausstellen. Eine Zweite? Genau, die erste über

€ 29.40, steckt unter dem Scheibenwischer. Wenigstens diese Gepflogenheit ist überall die gleiche. Es gibt günstigere Womostand-plätze, aber keine schöneren! Mein Vergehen: Befahren eines allgemeinen Fahrverbotes und demnach Stehen an einem unerlaubten Ort. Also packen wir hastig alles zusammen, runter von den Nivelierungsböcken, Gashahn zudrehen und weg von hier. Dabei bemerkt Gitta, dass sie ihre Sonnenbrille nicht mehr hat.

Wir überlegen uns, wo sie sie hätte liegenlassen können, und ich fahre, weil ich ja eh fahren muss, hinauf in die Altstadt. Doch der Schuhladen hat bereits geschlossen Wir fahren zurück an den Ha-fen, wo ich heute beim Vorbeigehen einen grossen Parkplatz gesehen habe. Da ist kein Fahr- oder Halteverbot, schön eben – da bleiben wir heute Nacht. Ironie des Schicksals: Der Platz ist keine 200 Meter von alten, verbotenen entfernt. Auf der gegenüberliegenden Strassenseite ist ein Tennis-zentrum und das Aufschlagen der Bälle tönt für Samy anscheinend wie Kanonendonner: er zittert wieder am ganzen Leib.

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Sei’s drum. Auf die Rösti verzichten wir, es gibt Fegato alla Veneziana mit frischem Brot. Erstaun-lich, was man aus so einer kleinen Campingküche herausholen kann. Wir essen gut und viel, dazu ebenso viel Wein, und dann noch ein kurzer Daggel-Waggel. Weil die Strasse am Hafen recht gut beleuchtet ist, lassen wir alle Rollos runter und schlafen schnell ein.

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Trotz Polizeieinsatz hat es sich gelohnt den ganzen Tag hierzubleiben.

Imperia,
die Schöne
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Happy Birthday

Freitag, 28. Oktober – Früher, als ich noch ein kleiner Junge war, legte mir meine Mutter immer ein erstes Geburtstagsgeschenk aufs Nachttischli: ein schöner Brauch, den sie bei allen ihrer vier Kinder pflegte. Das Problem war nur, dass wir das wussten und vor lauter Neugierde in der Nacht davor kaum einschlafen konnten. Heute hat Emma diese Tradition aufgenommen und mir zum Aufwachen ihr kleines Geburtstagsgeschenk präsentiert: Der Fäkalientank ist randvoll, nix geht mehr rein, höchstens noch raus! Gitta entdeckt neben der Schüssel eine kleine rote Warnanzeige. Jetzt wissen wir, was das heisst. Die Geschenke meine Mutter waren mir entschieden lieber…

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Wir packen zusammen und fahren wieder hoch in die Altstadt. Es ist nach 9 Uhr und die Läden, vor allem der Schuladen, sollte nun offen haben. Ich parkiere verboten unweit der Questura, hoffentlich ist Commissario Brunetti oder Vice-Questore Patta oder der schusselige Sergente Alvise nicht hier, um mir eine weitere Busse zu geben, und warte auf Gitta, die zum Schuhgeschäft läuft. Kurze Zeit später kommt sie glücklich zurück: Sie hat ihre Glücksbrille wieder. Es ist schon das zweite Mal, dass sie sie wiederfindet.

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Sie hat also ein Problem weniger, ich dafür eines mehr. Wie war das mit Emmas Geburtstagsgeschenk, das immer noch in ihrem Bauch hin und her schwappt? Ich muss, Buchstäblich, die Scheisse schnellstmöglich loswerden.

 

Aber wo? Weit und breit ist keine Depotstelle auf den einschlägigen Apps angezeigt. Hoch den Berg hinauf in die Altstadt, über jeder ruppigen Strassenschwelle, in jeder Kurve, und von denen hat es viele, befürchte ich, dass der Tank überläuft. Die Strasse nach Diano Marina bietet alles von dem: bergauf und ab, viele und enge Kurven. Ein Horror. In Diano Marina führt uns die App in eine grosse Gärtnerei, die für etwa 15 Wohnmobile Standplätze anbietet und eine Entsorgungsstelle hat. Durch engste Strässchen finden wir da hin, der Chef ist sehr nett und hilfreich. Und weil heute mein Geburtstag ist, erlässt er uns auch die Gebühren: Un regalo!.

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Erleichtert, Emma und wir, fahren wir weiter nach Andora, wo ich in einem kleinen Strandbeizli, im Bagna Franco, diese Zeilen schreibe. Gitta schwimmt, die Hunde kacken in den Sand. Ein fast normaler Camper-Tag.

 

Es sind knapp160 km bis nach Bra im Piemont, der Partnerstadt von Spreitenbach! Bra, eine schöne kleine Stadt, liegt westlich von Alba. Hier ist die Wiege der Slow-Food-Bewegung. Und zwar im Restaurant Boccondivino, wo wir heute auch einen Tisch für 2 plus 2 reserviert haben. Auf dieses Nachtessen freue ich mich ganz besonders. Bereits vor Jahren waren wir hier, Gitta und ich, auf Empfehlung meiner damaligen Chefin Monica Glisenti. Sie und ihr Mann, ein profunder Weinkenner, kennen die besten Restaurants auf der ganzen Welt, Wirklich. Wo immer ich hingehe oder bin: sie nennt mir die Lokale und Hotels, wo wir unbedingt hinmüss(t)en. Können wir oft, aber nicht immer.


In meinem Kopf habe ich einen Standplatz mitten in Bra und unweit unseres Restaurants. Ich will ja nach dem Essen nicht mehr fahren. Wir

finden den Platz schnell und es hat, erstaunlicherweise, Platz für Emma. Da stellen wir uns hin, werfen ein paar Euros in die Parkuhr und schon dürfen wir bleiben bis Samstag, 11.01 Uhr. Weil in Bra sonntags der Markt ist, mache ich mir hier auch keine Sorgen. Wir stehen, einigermassen eben.


Die Hunde kriegen zu Fressen, wir im Bistro nebenan einen Caffè. Auf der Parkbank vor der Emma unterhalten sich acht ältere Herren in gut italienischer Manier, laut, gestikulierend, lachend. Sie reden ununterbrochen: Was die wohl alles zu diskutieren haben? Dann spazieren wir noch durch die Altstadt und finden einen Laden, der wunderschöne Pullover etc. für wenig Euros anbietet. Gitta beschenkt mich. In einer Nebengasse genehmigen wir uns einen Apéro, begleitet von ein paar Apéro-Häppchen. Gut machen sie das in Italien. Das hatten wir schon mal, vor Jahren, in Giulia San Orta. In einem kleinen Bistro kehrten Gitta und ich ein, bestellten Vino bianco der begleitet von ein paar Apéro-Häppchen serviert wurde. Völlig angetan von der netten Geste verliessen wir nach dem Apéro die gastliche Gaststätte – allerdings ohne zu Zahlen. Ein aufgelöster Kellner rannte

uns hinterher: pagare, signori, perfavore! Mensch war uns das peinlich. So eine nette Geste und wir hauen einfach ab. Wir zahlten die Zeche und noch etwas drauf und waren froh, das erledigt zu haben. Heute zahle ich sofort.

Im Boccondivino haben wir den Tisch auf 19.30 Uhr reserviert. Wir freuen uns mächtig auf das, was uns erwartet. Die Karte enttäuscht nicht, wir

kriegen was unser Gaumen begehrt. Fantastisch. Auch der Barbaresco, 2016, mundet köstlich. Ein durchaus gelungenes Geburtstagsessen, wirklich.

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Müde und satt kehren wir auf die Piazza XX Settembre zurück, Emma wartet schon auf uns. Glücklich über den schönen Tag legen wir uns früh

in unsere Betten. Morgen wollen wir noch etwas die Altstadt von Bra bewandern.

Quer durchs Piemont

Samstag, 29. Oktober – Das war keine gute Nacht auf der Piazza des 20. Septembers: lärmende Nachtschwärmer bis 03.00 Uhr, Spätheimkehrer, die sich den Spass machten, in stockdunkler Nacht an unsere Womotüre zu klopfen (03.30 Uhr) und Erwachen der Stadt mit dem ganzen Autolärm ab 06.00 Uhr. Aber gut gegessen haben wir im Boccondivino. Leicht und bekömmlich.

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Der übliche Morgen-Daggel-Waggel führt ich in die Altstadt und bereits um acht Uhr sitzen die Italienerinnen und Italiener quatschend – was die reden können! – in den Caffès. Und auch die Parkbank vor der Emma ist wieder besetzt, von denselben Senioren wie gestern Abend. Samstäglich fein herausgeputzt reden sie wieder wild gestikulierend, aufgeregt und lachend – ein herrliches Leben, was die führen. Der Gesprächsstoff scheint nie auszugehen. Gerne wüssten wir, was die den ganzen Tag reden. Aber so viel Zeit haben wir leider nicht.

Wir schlendern nochmals durch die Altstadt, kaufen etwas für Leni und Lilly ein und machen uns dann auf den Weg nordwärts durchs sonnig-warme Piemont. Alba, Asti, Alessandria und als wir in die Nähe von Casale Monferrato kommen, meldete sich der Hunger. Vor vielen Jahren, als Gitta in Cissone bei Dogliani ein Seminar besuchte, haben wir hier auf der Fahrt in den Süden in einem Hotelturm übernachtet und in einem unscheinbaren Restaurant im angrenzenden Industriegebiet fantastische Tagliatelle mit weissem Trüffel ge-nossen. Und statt Brot voraus haben sie uns Wachteleier angeboten Mal schauen, ob es das Lokal und die Trüffel-Nudeln noch gibt.

Das Ristorante «I Templari» gibt es noch, auch die Trüffelnudeln stehen noch auf der Speisekarte. Wir essen viel zu viel, trinken ein Glas Wein dazu und ich muss ein Mittagsschläfchen halten. Dank Emma kann ich das gleich erledigen, lege mich einfach schnell ins Bett. Egal wo wir stehen, einfach schnell liegen. Wunderbar. Nach 45 Minuten bin ich wieder fit und wir starten Emma mit dem Ziel Cannobio am Lago Maggiore. Ab Verbania schlängelt sich die schmale Strasse dem See entlang. Mit der Emma, immerhin über 2.30 breit, eine echte Herausforderung, die wir aber gut meistern. Die Camping-App zeigt uns zwei mögliche Standplätze. Der eine ist völlig überfüllt, der andere, grad gegenüber dem Fluss, praktisch leer. Noch. Das wird sich in den nächsten Stunden ändern.

 

Wir parken, schliessen uns am Strom an. Gitta drängte mich, kaum Stand die Emma still und gerade, im Ristorante «La Streccia» einen Tisch für heute Abend zu reservieren. Das war eine gute Idee, denn das Lokal füllte sich schnell.

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Das La Streccia haben wir im Mai 2013 auf der Rückreise unserer Sardinien-Töff-Ferien erstmals besucht. Die Mai-Harley-Reisen unternahmen wir üblicherweise mit drei anderen Päärchen, mit denen Urlaubmachen jeweils eine wahre Freude war. Diesmal wurden wir in der ab Vercelli in der Reisebene bis Cannobio furchtbar verregnet. Un-sere Lederkombis waren trotz darüber getragenen

Regenkombis pflotschnass. Wir zogen uns trockene Kleider an und gingen runter zum Hafen von Cannobio. Dort, in einer kleinen Bar, unterhielten wir uns köstliche mit dem jungen Beizerpaar beim Apéro, vergassen schnell die Strapazen vom Nachmittag. (Mindestens bis wie wieder in unsere Hotelzimmer zurückkamen, wo überall die nassen Sachen hingen!) Danach stiegen wir fürs Nachtessen die Treppen einer engen Gasse hoch und kamen zum La Streccia. Ein kleines, aber feines Lokal mit hervorragendem piemontesischem Essen und ebenso erlesenen Weinen. Ich weiss nicht mehr, was ich nahm, Gitta jedoch bestellte sich das «Carne cruda», ein Tartar aus Kalbfleisch. Seit damals, immerhin schon über neun Jahre, schwärmt Gitta von diesem ausgezeichneten Gericht: «Das muss ich unbedingt wieder einmal haben!»

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Unser heutiger Stopp in Cannobio ist trocken, sonnig und mit 25 Grad richtig sommerlich warm. Und er hat durchaus auch mit dem damaligen Besuch des Ortes am Lage Maggiore zu tun. Wir machen uns langsam auf den Weg durch die engen Gassen zur Hafen-promenade von Cannobio. Da reiht sich ein Restaurant ans andere, die Tische auf dem Platz sind gut besucht, es hat viele Touristen hier. Alle geniessen sie noch den letzten sonnigen Herbsttag vor der Zeitumstellung.

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Wir finden «unsere kleine Bar» - die Wirtsleute haben gewechselt – und nehmen unseren Apéro und später auch den Absacker ein. Dann steigen wir wieder die Treppen der kleinen Gasse hoch und freuen uns auf das Nachtessen im La Streccia. Zu Recht: Gitta bekommt ihr Carne Cruda mit Trüffelöl und Knoblauch und Gemüse vom Grill, ich endlich die Agnolotti Piemontesi al Ragù di Funghi und dann ein Bistecca alla Griglia. Den Durst löschen wir uns mit einer guten Flasche Barbera d’Asti.

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Nach dem Absacker, «Espresso con Grappa, aparte», schwanken wir zurück zu Emma, die geduldig auf wartet. Die Hunde geniessen den Nachtwaggel und bald schon schlafen wir alle glücklich und zufrieden und satt ein.

 

Unsere letzte Nacht im Womo – danke Emma.

Heimwärts - über den Berg

Sonntag, 30. Oktober – In der Nacht endet die Sommerzeit und wir stehen viel früher als die letz-ten Tage auf. Dank Stromanschluss ist der Kaffee schnell gebraut und die Sonne kriecht langsam hinter dem Monteviasco hervor. Die Nacht war kalt, jetzt wärmt uns die Sonne schnell auf. Heute ist Markt in Cannobio, das merkt man daran, dass alle Einfahrtsstrassen verstopft sind mit Autos, praktisch alle mit CH-Kennzeichen. Der Markt wird überlaufen sein. Das brauchen wir zum Ab-schluss unserer wunderschönen Reise nun wirklich nicht. Ich lade Gitta bei einem Gemüse- und Früchteladen an der Hauptstrasse aus und fahre zur Tankstelle am anderen Ende des Dorfes. So komme ich doch noch in den Genuss der vielen Marktgänger…

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Wir zirkeln mit der Emma, sie ist immerhin 2.30 breit, das habe ich glaubs schon mal erwähnt, der engen Uferstrasse entlang Richtung Brissago. Plötzlich knallt’s: Emma hat von einem entgegen-kommenden Fahrzeug eine «Ohrfeige» bekommen, unsere Rückspiegel haben sich anscheinend geküsst. Passiert ist nichts, angehalten hat auch niemand. Wir sind froh, dass die Strassen entlang dem Schweizer Ufer etwas breiter sind. Zwar auch nicht immer, aber fast immer.

Auf der Autobahnraststätte nach Bellinzona legen wir kurz vor Mittag noch einen

letzten Stopp ein, trinken Kaffee, essen ein Sandwich, Samy und Tscharly sind froh, ihren üblichen Geschäften nachgehen zu können. Samy, allerdings, tut sich etwas schwer damit.

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Wir fahren, wie immer, wenn wir in den Süden und zurück fahren, die San-Bernadino-Route. Ich mag den langen Gott-hardtunnel nicht, seit ich vor Jahren darin mal gestanden habe, und die oftmaligen kilometerlangen Staus vor den Portalen brauche ich auch nicht wirklich. Wie schon auf der ganzen Reise sind wir froh, dass es kaum Verkehr hat auf der A13. Wir kommen flüssig voran, Emma erklimmt mit ihren 3 ½ Tonnen und nur 140 PS tapfer den Pass und erholt sich dann wieder auf der Abfahrt. In Chur hat es über 25 Grad, am 30. Oktober! Wie wir am anderen Tag erfahren, war es der «späteste Sommertag» sein Messbeginn ibn der Schweiz vor weiss-der-Geier wie vielen Jahren.

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In Widnau, kurz vor dem Bodensee, tauchen wir in eine ge-waltige Nebelwand ein. Die Temperatur sinkt auf 13 Grad und erst kurz vor St. Gallen hellt sich er Himmel wieder auf. Bevor wir heimkehren, holen wir noch Gittas Cinquecento in der Garage ab. Er bekam während unserer Abwesenheit neue Winterschuhe. Um 15 Uhr dann endet unsere Herbstreise da, wo sie anfangs Oktober begonnen hatte; in Flurlingen, vor der Garage unseres Hauses: drei Wochen mit Emma in Frankreich und Italien – was für ein eindrückliches Erlebnis!

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Wir räumen das Womo aus – läck haben wir viel zu viel Ware mitgeschleppt. Kleider, Medikamente, Campingutensilien, lauter Dinge, von denen wir dachten, sie brauchen zu müssen. Denkste. Auf so einer Womo-Reise kommt man – wir hätten es von unseren Töffreisen wissen müssen – mit viel weniger aus. Zwei Stunden räumten wir aus und auf und genossen dann, leicht erschöpft, den warmen Wasserstrahl unserer Dusche daheim. Wohlriechend und sauber gekleidet fahren wir mit dem Fiätli zu Andrea, Philipp, Leni und Miro. Sie haben uns zum z'Nacht, zu «meinem» Geburtstagsessen, eingeladen. Wieder zuhause schlafe ich kurz nach 21 Uhr auf dem Sofa ein. Samy und Tscharly tun’s mir gleich, schmiegen sich an meine Füsse.

Samma wida daham

Montag, 31. Oktober – Wir erwachen und sehen aus dem Fenster eine dicke Nebel-suppe. Kein Erwachen wie in den vergan-genen Tagen und Wochen. Ruhiger zwar als andernorts, aber eben kalt, nass und nebelig. Zum ersten Mal seit langem lese ich die Zeitung. Viel scheint sich nicht verändert zu haben in der Zeit, als wir unterwegs waren. Putin kriegt noch immer, Mangellagen hüben und drüben, Frau Sommaruge besorgt um ihren Ehemann. Gitta reinigt noch etwas die Emma, saugt mit ihrem Wunderstaubsauger die Hunde-haare von den Teppichen im Führerhaus und beim Einstieg ins Womo und dann fahre ich nach Jestetten, erst zum Voll-tanken, dann zum Autohaus Melzer, wo wir Emma leider zurückbringen und ab-geben müssen. Sie ist uns schon ans Herz gewachsen, gehört schon fast zur Familie. Wäre sie unsere, wir wären noch

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ein oder zwei Wochen unterwegs geblie-ben. Derart guthat uns das Nomaden-leben im Wohnmobil gefallen.

​

Der Mitarbeiter des Vermieters begrüsst uns und nimmt das Mobil unter die Lupe. Ich sage nur zu ihm: «Das Motto heisst: finde den Schaden!» Er schaut mich fragend an, ich zeig ihm das defekte Positionslicht und die Schleifspuren

unseres ersten Malheurs und die zer-

depperte Kabelrolle des zweiten. Er behält die Kaution zurück, bis ein Kostenvoranschlag für die Reparaturen offenlegt, wie viel ich davon zurück-erhalten werde. Ansonsten läuft die Abgabe reibungslos und schon nach einer halben Stunde fahre ich mit Gitta zurück nach Flurlingen.

 

Schön und interessant wars!

Facts & Figures

21 Tage

​

56 h 47

​

3'321 km

​

300 Liter

​

11.1 Liter

​

670.40 Euro

​

179.70 Euro

​

173.00 CHF

​

alle 3 Tage

​

alle 3 Tage

​

alle 3 Tage

​

5 Maschinen

​

>30 Stunden

​

2

​

824

​

2

mit der Emma unterwegs

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reine Fahrzeit

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zurückgelegte Fahrstrecke

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Diesel verbraucht

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Ø Verbrauch

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total Dieselkosten

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total Übernachtungskosten

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Autobahngebühren

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Fäkalientank entleert

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Brauchwassertank entleert

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Frischwasser aufgefüllt

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Wäsche gewaschen

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am Blog gearbeitet

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Schäden verursacht

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Fotos geschossen

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Kurz-Videos gedreht

Lessons learned

Man nimmt viel zu viel mit an Kleidern, Wäsche, Lesestoff, etc

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Man nimmt sich manchmal zu viel vor - weniger ist mehr

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Planen, wohin die Tagesfahrt geht -> Standplatz wo?

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Anhalten und Pause-Schlafen wenn man müde ist

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Fäkalientank rechtzeitig entleeren

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Vor Abfahrt Checkliste durchgehen

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7 Meter Fahrzeuglänge ist lang!

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2.90 Meter hoch ist hoch – für gewisse Zahlstellen zu hoch

 

Über 2.30 Meter Breite planen beim Lenken – da kann’s auch mal eng werden

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Zum Kochen reicht ein 2-Flammiger Gasherd, ein kleiner Holzkohlengrill ist nützlich und sinnvoll

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220 V aus der Bordsteckdose gibt es nur, wenn das Fahrzeug an einer externen Stromquelle angeschlossen ist

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Espressomaschine und Haarföhn funktionieren nur bei externer Stromversorgung

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Laptops lassen sich nur dann aufladen (ausser man hat das richtige Ladekabel für eine Powerbank – hatten wir nicht)

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Früher vom Standplatz abfahren und

dafür früher am neuen Ort ankommen

(bei Tageslicht)

Unser Fazit

Gitta und ich hatten keine Sekunde das Gefühl des «Nein, nicht so» oder des «das muss nicht sein». Der Urlaub und die Fahrt mit Emma waren ein Vergnügen, das reinste «Rundum-Sorglos-Paket». Auch für Samy und Tscharly, die die drei Wochen hervorragend mitgemacht und überstanden haben. Die ganze Reise war eine supergute Erfahrung: in Bezug auf die Art des Reisens, der Kompromisse, die wir schliessen mussten und gerne taten und der gegenseitigen Toleranz und des friedlichen Beisammenseins, das das Wohnen auf derart engem Raum mit sich bringt, aber auch bedingt.

 

Wir haben - da kommt die zweite der zwei Fliegen, die wir mit einer Klappe schlagen wollten – uns vier bewiesen: Wir können Wohnmobil! Wir werden todsicher wieder einmal mit dem Womo Ferien machen, wir überlegen uns gar, ein eigenes zu kaufen. Irgendwann, vielleicht im nächsten Jahr.

 

Wir haben hervorragend im Bauch der Emma geschlafen, durften ein neues unkompliziertes Ferienerlebnis erfahren, das geprägt war von Unabhängigkeit und Spontaneität. Gitta beschreibt es so: «Wir hatten die Möglichkeit, uns in unserem Alter ein neues, anderes ‘Bühnenbild’ zu gestalten». Wie wahr.

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Vor allem der Besuch des unglaublich interessan-ten, vielfältigen, überraschenden und erlebnisrei-chen Périgord – das ist jetzt die erste Fliege mit der Klappe von vorhin – war einer der eindrücklichsten, den wir je unternommen haben.

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Unsere erste Womo-Reise war schlicht:

 

Eine traumhafte Reise!

falscher Geburri.jpg

The End

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